Neun von zehn Immobilienkreditverträgen enthalten Widerrufsbelehrungen, die den gesetzlichen Anforderungen nicht standhalten. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von 1.509 Darlehensverträgen durch die Verbraucherzentrale Hamburg.
Nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg fanden Juristen in 1.350 der 1.509 untersuchten Immobilienkreditverträgen, also 89,5 Prozent, Mängel, etwa fehlende Informationen über den Beginn der Widerrufsfrist oder die Folgen des Widerrufs.
In 159 Verträgen, also 10,5 Prozent, seien die Widerrufsbelehrungen in Ordnung.
Mehrere Millionen Kreditverträge sind potenziell fehlerhaft
Von den Mängeln potenziell betroffen seien mehrere Millionen Kreditverträge. Bei den Verbraucherzentralen und bei Anwaltskanzleien seien aber bisher erst schätzungsweise 100.000 bis 200.000 Verträge geprüft worden.
„Es schlummern also noch viele Verträge in Ordnern und Schubladen der Verbraucher“, sagt Christian Schmid-Burgk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.
Besonders betroffen seien Verträge, die ab 2002 abgeschlossen wurden. Erst bei Darlehen ab 2010 waren die Widerrufsbelehrungen nach dem Ergebnis der Prüfung durch die Hamburger Verbraucherjuristen weitgehend fehlerfrei.
Verhandlungen mit den Banken
Verträge mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungenkönnen können auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden, so die Verbraucherzentrale.
Diese Möglichkeit eröffne dem Verbraucher eine gute Verhandlungsposition für eine Senkung der Vorfälligkeitsentschädigung oder gar eine Rückabwicklung des Vertrages. Der Zinsvorteil belaufe sich dann für den Verbraucher auf mehrere Prozentpunkte pro Jahr, was mehrere Tausend Euro ausmachen könne.
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Banken reagieren unterschiedlich
Mit der Feststellung der rechtlichen Angreifbarkeit ist der Anspruch des Kunden laut der Verbraucherzentrale Hamburg keineswegs durchgesetzt. Die Kreditinstitute reagieren nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale sehr unterschiedlich auf beschwerden.
„Von Schweigen über Widerstand bis zu Kulanz ist alles dabei“, sagt Schmid-Burgk. Inzwischen gebe es bereits etliche juristische Prozesse, die unterschiedlich ausfallen. Allerdings sind nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale viele Anbieter zum Vergleich bereit. (st)
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