Der direkte Erwerb von Immobilien als Kapitalanlage unterliegt derzeit (noch) keiner ausdrücklich gesetzlich geregelten Prospektpflicht. Ein aktuelles BGH-Urteil führt jedoch dazu, dass de facto ein Prospekt für den Vertrieb in den meisten Fällen geradezu zwingend ist.
Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Zacher, Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte
Liest man das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23. Juni 2016 (AZ: III ZR 308/15) komplett, enthält es interessante Kernaussagen.
Grundsätzliche Aufklärungspflicht
Die erste lautet: Die objektbezogenen allgemeinen Aufklärungspflichten eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters gelten unabhängig davon, welche Kapitalanlage vermittelt wird. Natürlich gibt es jeweils Spezifika einzelner Kapitalanlagen und demgemäß ein unterschiedliches „Pflichtenprogramm“ der Aufklärung im Einzelfall. Die grundsätzliche Aufklärungspflicht gilt aber auch zum Beispiel beim direkten Erwerb von Immobilien, obwohl dieser noch aufsichtsrechtlich relativ ungeregelt ist, keine Prospektpflicht oder BaFin-Zuständigkeit besteht, etc., wie dies etwa bei kollektiven Immobilienanlagen der Fall ist.
Die zweite wichtige Kernaussage sei nochmals aus den Urteilsgründen wörtlich zitiert: „Der Anlageberater beziehungsweise Anlagevermittler ist stets zur richtigen und vollständigen Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für die Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Er kann sich zur Erfüllung dieser Pflichten eines Prospektes bedienen, muss dies aber nicht. Existiert kein Prospekt, hat er die Pflicht durch eigenständige Aufklärung zu erfüllen.“
Irrglauben wird beiseite geräumt
Hierdurch wird zunächst mit einem gerade im Immobilienbereich noch weitverbreitetem Irrglauben aufgeräumt: Der Prospekt begründet nicht die Haftung, sondern ist umgekehrt für den Vertrieb gerade das geeignete Mittel, die ohnehin bestehende Haftung auszuschließen. De facto ist auch im Falle eines Falles die zitierte „eigenständige Aufklärung“ ohne Prospekt allenfalls theoretisch möglich. Sie ist in einem Prozess kaum nachweisbar und würde voraussetzen, dass wirklich der anderweitige Nachweis gelingt, dass – mündlich – alle relevanten Risikoinformationen gegeben wurden.
Seite zwei: Vermittler wird allein gelassen