Die EZB hält vorerst an expansiver Geldpolitik fest, gibt jedoch vorsichtige Hinweise hinsichtlich eines Kurswechsels. Zuvor hatte EZB-Chef Mario Draghi für Unruhe am Markt gesorgt.
Ende Juni hatte Draghi den Markt aufhorchen lassen. Er wies im Rahmen einer EZB-Konferenz in Portugal auf die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone hin. Auch die Inflation befände sich auf einem guten Weg. Ein leichtes Nachgeben wäre nur temporär. Darauf sanken die Kurse der Staatsanleihen und der Euro reagierte mit einem Anstieg.
„Draghi hat in seiner Ansprache den Fokus auf die Konsolidierung gelegt, nicht auf das Entwicklungspotenzial. Das hat den Tenor seiner Aussage verändert und deshalb den Markt erstaunt. Und derartige Überraschungen haben für den jüngsten Zinsanstieg gesorgt“, sagt Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG. „Das haben wir zum letzten Mal nach der US-Wahl gesehen. Nun reagierte der Markt mit einer Erhöhung um rund 30 Basispunkte bei den zehnjährigen Bundesanleihen“, so Neumann weiter.
Keine Erhöhung des Leitzinses in 2017
In ihrer Sitzung am Donnerstag wies die EZB erneut auf die stabile wirtschaftliche Lage in Europa hin und gab weitere vorsichtige Signale, dass ein langsamer Ausstieg aus der ultralockeren Zinspolitik möglich sei. „Ich rechne nicht damit, dass die EZB die Zinsen noch in diesem Jahr erhöht. Mario Draghi hat durchblicken lassen, dass eine Erhöhung des Leitzinses erst nach dem Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm zu erwarten ist. Dieses läuft noch bis mindestens Dezember 2017“, kommentiert Neumann. Die EZB hielt an ihren bisherigen Maßnahmen fest und erhöhte weder den Leitzins, noch senkte sie den Strafzins. Auch der Rahmen des Anleihekaufprogramms von monatlich 60 Milliarden Euro bleibt der gleiche.
Deutsche Staatsanleihen im Aufwind
Seit Ende Juni stieg die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen in der Spitze um 0,35 Prozent. Ihr Allzeit-Tief verzeichnete sie im Juli 2016 nach dem überraschenden Ausgang des Brexit-Votums. Hier lag die Rendite kurzzeitig unter null. Die EZB erhöht durch ihre Anleihekäufe künstlich die Nachfrage, dadurch sinkt die Rendite der Staatsanleihen. „Durch einen Rückzug aus dem Anleihekaufprogramm entstünde wieder ein echter Markt, auf dem niemand interveniert“, erläutert Neumann. „Wenn die EZB als Käufer ausscheidet, sind grundsätzlich fallende Kurse und steigende Renditen der Staatsanleihen zu erwarten. Doch das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Die EZB ist bekannt dafür, dass sie sehr behutsam agiert. Ich rechne nicht mit einem abrupten Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm Ende 2017 und noch weniger mit einer signifikanten Leitzinserhöhung in absehbarer Zeit“, so Neumann weiter.
Baufinanzierungszinsen steigen leicht
Da Kreditinstitute langfristige Darlehen wie Immobilienkredite zum Teil mit langfristigen Anlageformen wie Pfandbriefen und Staatsanleihen refinanzieren, reagieren Zinsen für Baufinanzierungen auf deren Zinserhöhung. „Wir haben in der letzten Zeit einen leichten Anstieg gesehen. Aber die Bauzinsen werden weiterhin günstig bleiben“, prognostiziert Neumann. Immobilienkäufern rät er zu Besonnenheit: „Lassen Sie sich nicht verunsichern. Das Zinsniveau ist noch immer historisch niedrig. Der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung ist oft eine der größten Entscheidungen im Leben. Natürlich spielen die Zinsen eine wichtige Rolle. Sie sollten aber nicht der Hauptgrund sein, Wohneigentum zu erwerben.“ (fm)
Foto: Florian Sonntag