Noch nie pendelten in Deutschland so viele Menschen zur Arbeit wie 2015. Krankenkassen untersuchen seit Jahren, wie die psychische Gesundheit beeinflusst wird. Gewerkschaften machen die Wohnungspolitik verantwortlich.
Die Zahl der Pendler in Deutschland ist 2015 auf einen Rekordwert gestiegen. Das geht aus einer neuen Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn hervor.
2016 pendelten bundesweit 60 Prozent aller Arbeitnehmer zum Job in eine andere Gemeinde – im Jahr 2000 waren es 53 Prozent. Die meisten Pendler gibt es in München. Dort arbeiteten 2016 rund 355.000 Menschen, die außerhalb der Stadtgrenze wohnten. Das ist ein Plus von 21 Prozent seit 2000.
Zahl der Pendler wächst am schnellsten in Berlin
Auf Platz zwei folgt Frankfurt am Main mit 348.000 Pendlern, 14 Prozent mehr als 2000. In den Büros dort stellen auswärtige Arbeitnehmer die Mehrheit, ebenso wie in Düsseldorf und Stuttgart: Zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesen Städten kommen von außerhalb zum Job. Den größten Zuwachs aber verzeichnet Berlin. Hier ist die Zahl der Pendler seit der Jahrtausendwende um 53 Prozent auf 274.000 gestiegen.
Gestiegen ist nicht nur die Zahl der Pendler, auch der Weg zum Arbeitsplatz ist länger geworden: von durchschnittlich 14,6 Kilometern im Jahr 2000 auf 16,8 Kilometer im Jahr 2015. Vom Wachstum der wirtschaftsstarken Großstädte profitierten vor allem deren Umlandgemeinden, sagte Institutsdirektor Harald Herrmann.
Die Entwicklung löst bei vielen Fachleuten keineswegs Begeisterung aus – bei Verkehrs- und Siedlungsplanern ebenso wenig wie in den Krankenkassen. „Der Flächenverbrauch und die Verkehrsbelastung steigen“, sagt Herrmann. „Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt hält und das Umland gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden bleibt.“
Gesundheitliche Folgen des Pendelns
Pendler sind häufiger genervt als Menschen mit kürzeren Arbeitswegen: „Die verfügbaren Untersuchungen zeigen, dass tägliche Pendelmobilität die körperliche und psychische Gesundheit der Erwerbstätigen gefährden kann und einen negativen Einfluss auf das Gesundheitsempfinden hat“, sagt Simon Pfaff vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden.
„Je länger die Fahrzeit der Erwerbstätigen, desto größer die Belastung, auch weil weniger Zeit zum Regenerieren bleibt.“ Die Krankenkassen beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema. So haben Pendler laut einer Studie der Techniker Krankenkasse ein höheres Risiko, psychisch zu erkranken.
IG Bau kritisiert Wohnungspolitik
Die wachsenden Pendlerzahlen sind aus Sicht der IG BAU auch eine Folge falscher Wohnungspolitik. „Wir brauchen eine Politik mit dem Ziel, bezahlbares Wohnen auch in Metropolen und Ballungsräumen zu ermöglichen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Dietmar Schäfers, laut Mitteilung.
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