Blockchain und Kryptowährungen wie Bitcoin können auch in der Immobilienwirtschaft Prozesse entscheidend verändern. Wird der Notar bei der Vertragsunterzeichnung bald vom Computer ersetzt? Gastbeitrag von Michael Stephan, iFunded
Das Thema Blockchain wird derzeit heiß diskutiert. Oftmals wird der Begriff synonym mit Kryptowährungen wie Bitcoin verwendet, also digitalen Zahlungsmitteln, die auf dem Blockchain-Prinzip beruhen.
Dabei sollte man die Blockchain nicht ausschließlich darauf reduzieren. Denn während sich beim Bitcoin noch zeigen wird, ob er sich langfristig durchsetzen kann, versprechen sich Visionäre von der Blockchain das Potenzial, zur nächsten Industrierevolution zu werden.
Börsengang mit Bitcoin?
Kryptowährungen schicken sich an, zur etablierten Zahlungsmethode für Online-Bestellungen zu werden. Die Annahme, auch Amazon werde demnächst Bitcoin akzeptieren, ließ den Bitcoin-Kurs kürzlich in die Höhe schnellen.
Auch im Immobiliensegment ermöglicht die Verwendung von Kryptowährungen neue Wege für Transaktionen. Das gilt für indirekte Beteiligungen wie beispielsweise Crowdinvestments genauso wie für den direkten Immobilienerwerb. Immer öfter stehen Gebäude online beispielsweise gegen Bitcoins zum Verkauf – ohne, dass ein Zahlungsdienstleister als Mittler nötig wäre. Das spart Kosten, wäre sicherer und im Zweifel schneller.
Die digitalen Währungen eröffnen zudem vielen Unternehmen neue Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme. Das sogenannte ICO (Initial Coin Offering), was sich vom englischen Ausdruck für den Börsengang IPO (Initial Public Offering) ableitet, bezeichnet eine „tokenisierte“ Finanzierungsphase.
Der Investor erhält im Zuge des ICOs Coins, beziehungsweise Token, die an entsprechenden Börsen gehandelt werden können. Das ermöglicht besonders jungen Unternehmen die Chance einer Art Börsengang, der jedoch abseits etablierter Kapitalmärkte stattfindet. In den USA haben Unternehmen bereits im Rahmen eines ICOs Beträge von mehr als 250 Millionen Dollar in kurzer Zeit eingesammelt.
Verteilte Datenbanken vereinen Flexibilität und Sicherheit
Als dezentrales Gerüst für digitale Datenbanken bietet Blockchain aber auch jenseits finanzieller Transaktionen mittelfristig viel Innovationspotenzial. Was durch die Technologie schon in naher Zukunft umsetzbar ist, ist die Übermittlung von Daten auf direkte, sichere und kostengünstige Weise.
Besonders bei der Erstellung und beim Versand von Verträgen wäre eine breitere Anwendung von Blockchain-Prozessen für die Immobilienbranche von Vorteil. Unterlagen und vertrauliche Daten könnten so direkt und fälschungssicher zwischen den Parteien versandt werden.
Obwohl keine Datenbank zu 100 Prozent vor Angriffen von außen geschützt sein kann, schneidet das Blockchain-System in puncto Sicherheit zumeist besser ab als herkömmliche Prozesse, da Daten dezentral und verteilt gespeichert werden. Zudem verhindern eingebaute Algorithmen die Manipulation einzelner Datensätze.
Digitale Verträge mit Unterstützung von Blockchain
Eine wichtige Innovation bei der Vertragsgestaltung via Blockchain sind Smart Contracts. Hierbei handelt es sich um „intelligente“ Verträge, die in rein digitaler Form rechtskräftig sind.
Das bedeutet jedoch nicht ausschließlich, dass die Verträge computerisiert sind, wie etwa bei einer signierbaren PDF-Datei: Smart Contracts stimmen nach einem einprogrammierten Wenn-dann-Prinzip eigenständig den Input der Vertragspartner ab – ohne einen Juristen aus Fleisch und Blut.
In Deutschland haben einige Unternehmen ihr Serviceangebot schon entsprechend erweitert. Die RWE-Tochter Innogy nutzt seit diesem Jahr für Transaktionsvorgänge an ihren Stromzapfsäulen per App zugängliche, Blockchain-basierte Smart Contracts.
Besonders bei relativ simplen Verträgen können digitale Prozesse allen Beteiligten sowohl Zeit als auch Kosten ersparen, ohne an Sicherheit oder Integrität einzubüßen.
Immobilienkauf künftig digital?
Bei allen Bestrebungen ist es sicher angebracht, zwischen zwei Arten der Entwicklungen zu unterscheiden: solchen, die schon in absehbarer Zeit Anwendung finden können, und jenen, die eher in die Kategorie „Zukunftsmusik“ fallen, aber dennoch wichtige Ziele für die Immobilien- und Finanzbranche erfüllen werden.
Zu Letzterem zählt beispielsweise die Erwägung, Anteile an Unternehmen oder Gebäuden digital übertragen zu können – ohne einen Notar. Eine für die Immobilienbranche hochinteressante Möglichkeit. Jedoch müsste ein solches Vorhaben in Zusammenarbeit mit Grundbuchämtern und anderen regulativen Instanzen umgesetzt werden – sofern diese in Zukunft überhaupt nötig sind.
Klassisches Grundbuch nicht mehr nötig
Schließlich würde ein klassisches Grundbuch überhaupt nicht mehr nötig sein, da der Eigentumsnachweis auch mittels Blockchain beziehungsweise Token nachgewiesen werden könnte.
Dubai hat als erste Stadt angekündigt, bereits an einem solchen Projekt zu arbeiten und möchte das Register bis zum Jahr 2020 vollständig digitalisiert in der Blockchain hinterlegen. In der Zukunft ist es daher nur eine Frage der Zeit, dass Verträge, Überschreibungen und Transaktionen allein per Mouseklick erledigt werden können.
Oder anders gesagt: Immobilien bleiben nach wie vor analog, können aber schon bald vollständig digital gehandelt und registriert werden.
Michael Stephan ist Geschäftsführer der Plattform iFunded
Foto: iFunded