Die Grundsteuer in Deutschland muss bis Ende 2019 reformiert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die aktuelle Steuerpraxis auf Basis von Einheitswerten für Grundstücke und Immobilien im April 2018 gekippt. Noch tut sich die Politik allerdings schwer. Professor Dr. Sebastian Siegloch, Leiter des Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), über einen möglichen Lösungsansatz.
Welche Reformkonzepte stehen momentan zur Debatte?
Siegloch: Die Debatte ist vielschichtig, von Details abgesehen, spielt sie sich aber zwischen zwei Polen ab. Auf der einen Seite steht ein Vorschlag, der den Wert der Immobilie völlig außer Acht lässt und die Besteuerung rein an die Fläche koppelt. Auf der anderen Seite steht eine Steuer, die sich auf den aktuellen Verkehrswert des Landes und der darauf befindlichen Gebäuden bezieht.
Was halten Sie für die richtige Lösung?
Siegloch: Ich fände es sinnvoll, wenn die Politik versuchen würde, eine Steuer zu entwerfen, die den aktuellen Wert von Grundstück und Gebäude berücksichtigt. Die reine Flächennutzung würde bedeuten, dass eine 200-Quadratmeter-Penthouse-Wohnung in München-Schwabing den gleichen Wert hat wie ein gleich großes Reihenhaus in Mannheim-Käfertal. Das wäre politisch, aber auch ökonomisch nur schwer zu begründen. Es sollte das Ziel sein, die steuerliche Bemessungsgrundlage – also den Wert, auf den der Steuersatz angewendet wird – so nah wie möglich an den aktuellen Wert der Immobilie zu bringen. Momentan nutzen wir in Westdeutschland Werte von 1964.
Gegner dieser und ähnlicher Reformüberlegungen betonen gerne den hohen administrativen Aufwand durch ein Neubewertung von rund 35 Millionen Immobilien.
Siegloch: Das ist sicher nicht unproblematisch. Es fehlt aber der Wille, über mögliche Lösungen nachzudenken. Als Ökonom glaube ich an den Preis. Die lokalen Gutachterausschüsse besitzen Informationen über alle Kaufpreise mit Kaufdatum von Immobilien sowie deren Lage. Mit diesen Informationen, angereichert mit einigen bereits vorhandenen Kenngrößen wie Grundstücks- und Wohnfläche, könnte man problemlos den Wert einer Immobilie hinreichend genau abschätzen, ohne eine Horde Sachverständiger durch die Stadt zu scheuchen. Das wäre im internationalen Vergleich keine ungewöhnliche Praxis.
Seite zwei: Grundsteuer auf dem Weg zur Vermögenssteuer?