Bei Wettbewerbern fällt die Euphorie schon größer aus: „Die Türkei etabliert sich infolge der politischen Stabilität immer stärker als wirtschaftliches Powerhouse in der Region“, sagt Aziz Unan von der Investmentgesellschaft Griffin Capital Management: „Dank Erdogans Wahlsieg kann das Land weiterhin zu den Top-Performern auf dem Globus zählen.“ Während der letzten Jahre sei es der Regierung gelungen, die Türkei zu einer liberalen Volkswirtschaft zu entwickeln.
Seit 2002, als die AKP als alleinige Regierungspartei die Macht erlangte, lag das Wirtschaftswachstum trotz globaler Finanzkrise bei durchschnittlich sechs Prozent, 2010 stieg die Rate sogar auf fast neun Prozent. Damit sei nur China unter den größeren Wirtschaftsnationen stärker als die Türkei gewachsen, so der Fondsmanager des Osteuropaportfolios Griffin Ottoman Fund.
Der Beitritt des Landes am Schwarzen Meer zur europäischen Union scheiterte bislang sicherlich nicht an einer mangelnden Industrialisierung des Landes. Die ist verglichen mit anderen Kandidaten oder sogar Mitgliedern durchaus ansehnlich. Zwar liegen viele Provinzen wegen ihrer schwer zugänglichen Geografie wirtschaftlich noch brach, Zentren wie Ankara oder Istanbul beherbergen aber längst international wettbewerbsfähige Unternehmen. Mittlerweile hat die Beitrittseuphorie seitens der türkischen Wirtschaft aber ohnehin deutlich abgenommen, Erfolge lassen sich offensichtlich auch ohne EU-Mitgliedschaft erzielen.
Weiße Ware aus Istanbul europaweit gefragt
Gesellschaften wie die Arçelik Group, in der Koç-Holding für die sogenannte weiße Ware wie Waschmaschinen und Co. zuständig, dominieren inzwischen nicht nur den konsumfreudigen heimischen Markt. Die Arçelik-Marke Beko klebt beispielsweise auf englischen Haushaltsgeräten häufiger als alle anderen Label. An Selbstbewusstsein mangelt es folglich nicht. Arçelik will zukünftig auch deutsche Traditionsmarken wie Grundig oder Nordmende unter türkischer Ägide erfolgreich wiederbeleben. Angesichts solcher Meilensteine haben sich an der Börse in den letzten Monaten Industrie- und Konsumwerte besonders gut entwickeln.
„Wir erwarten weiterhin eine gute Performance dieser Sektoren und auch des Finanzbereichs, der sich derzeit konsoldiert“, analysiert Holek. Im Schwellenlandfonds Raiffeisen-Osteuropa-Aktien, den Holek gemeinsam mit Dr. Angelika Millendorfer leitet, findet sich das größte Kreditinstitut des Landes, die Turkiye Garanti Bankasi, mit knapp vier Prozent des Fondsvolumens. Es handelt sich bei der Bank um ein Börsenschwergewicht, sie macht mehr als 18 Prozent des MSCI Türkei aus. Die Türkei ist mit aktuell rund zehn Prozent deutlich niedriger gewichtet als etwa der Rohstoffgigant Russland. Der Fonds kann auf Sicht von fünf Jahren ein Plus von 21,8 Prozent vorweisen. Über zehn Jahre sind es 275 Prozent, seit Auflage 1999 sogar 436 Prozent.
Holek bezweifelt, dass sich das türkische Tempo beibehalten lässt: „Die Performance-Beiträge waren in den Krisenjahren 2008 und 2009 überdurchschnittlich, da die türkische Volkswirtschaft – und dort insbesondere die Banken – die Krise sehr gut bewältigen konnte. Im Herbst 2010 erreichte der türkische Börsenindex ISE neue Höchststände, seither korrigiert der Markt aber.“ Das aktuelle Minus seit Jahresbeginn liegt bei rund vier Prozent. Nachdem Griffin-Fondsmanager Unan sein Türkei-Exposure im Oktober 2010 auf gut 40 Prozent senkte, hat er es im April 2011 wieder auf nahezu 60 Prozent erhöht, um von günstigen Bewertungen infolge der Korrektur zu profitieren.
Ein chronisches Problem indes bleibt die Inflation. Erwartet werden sieben Prozent in diesem und sechs Prozent im nächsten Jahr. Im Gegensatz zur Stabilitätspolitik in allen übrigen Schwellenmärkten senkt die türkische Notenbank die Leitzinsen. Michael Godfrey, Fondsmanager des Global Emerging Markets Fund beim britischen Asset Manager M&G, bezeichnet diese Strategie noch diplomatisch als „besorgniserregend“. Nichtsdestotrotz engagiert er sich am Bosporus, weil dort „wegen dieser Unsicherheiten zahlreiche Aktien günstig bewertet sind. Das Börsenparkett in Istanbul ist lohnenswert.“ Ihm haben es ebenfalls Bankaktien angetan, die Privatbank Asya Katilim Bankasi ist sein momentan größtes türkisches Investment.