Beim EU-Gipfel am 28./29. Juni wurde durch Staats- und Regierungschefs das Konzept für eine Bankenunion umrissen, die der Währungsunion durch die Errichtung einer einheitlichen und verstärkten Bankenaufsicht den letzten Schliff geben würde. Deren Verquickung mit der EZB und den nationalen Zentralbanken wird zwangsläufig Fragen der Unabhängigkeit aufwerfen.
Merkwürdigerweise gab es während des Gipfels kein offizielles Statement zu einer möglichen gemeinsamen Einlagensicherung. Diese wird jedoch Teil der Vereinbarung sein müssen, wenn der Abfluss spanischer und griechischer Bankeinlagen gestoppt werden soll. Eine Bankenunion würde auch die Einrichtung von Verfahren zur Regelung von Staatsinsolvenzen bedeuten, weshalb die Europäische Kommission im Juni dazu ein entsprechendes Rahmenwerk vorlegte. Um die Belastung für den Staatshaushalt zu reduzieren, könnten einige Anleihen einem Bail-in-Verfahren unterworfen und im Insolvenzfall als Eigenkapital behandelt werden.
Ein engeres Europa sollte für größere Stabilität und eine verbesserte Transparenz sorgen. Dazu gehört aber auch, dass die Banken ihre Arbeitsweise ändern. In den letzten vier Jahren hat die Krise einen fundamentalen Haltungswandel gegenüber Risiko ausgelöst. Frühere Risikomodelle wurden als mangelhaft befunden, sodass jetzt neue Modelle mit einem verbesserten Rahmenwerk erforderlich sind. Spanische und italienische Banken werden als Test dafür dienen, wie viel sich verändert hat – ebenso wie die irische Konkurrenz und Lloyds und RBS in Großbritannien, sobald sie nicht mehr unter staatlicher Aufsicht stehen.
Als Reaktion auf das strengere regulatorische Umfeld sahen sich die Banken in Europa zu einer Verkleinerung und Reorganisation ihrer Bilanzen gezwungen. Konkret geht es dabei darum, Aktiva und Passiva neu zu ordnen und den Financial Leverage zu senken. Viele Kreditportfolios, insbesondere im Hypothekenbereich, wurden daher verkauft, ebenso wie nicht strategische Geschäftsfelder wie Flugzeugleasing oder Depotdienstleistungen.
Was die Finanzierung der Realwirtschaft betrifft, wird Europa demnach zunehmend dem Vorbild der USA folgen. Regulatorische Beschränkungen und höhere Eigenkapitalquoten haben die Banken bereits dazu veranlasst, sich aus dem Kreditgeschäft mit Großkonzernen zurückzuziehen und sich stattdessen auf profitablere Segmente wie der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen und Verbraucher zu konzentrieren.
Unternehmen, die es sich leisten können, werden sich ihre Finanzierung am Kapitalmarkt beschaffen – ein Service, der von Banken angeboten wird, aber keine Auswirkungen auf die bankaufsichtlich definierte Kapital- und Liquiditätsausstattung der Institute hat.
Das ist auch der Grund, warum Banken häufiger dazu übergehen werden, Kredite wie Kfz-Kredite oder Kreditkartenforderungen zu verbriefen. Wird diese bilanzielle Umgestaltung die Banken in ihrer Fähigkeit beeinträchtigen, die Wirtschaft zu finanzieren? Die Erfahrung in den USA sagt Nein. In Europa allerdings lässt sich aufgrund der geringen Nachfrage vorläufig nichts dazu sagen. Dies kann die geldpolitische Transmission behindern und damit den Bemühungen der EZB schaden, eine Kreditklemme abzuwenden. Und wird der Rückzug europäischer Banken in den jeweiligen Heimatmarkt Auswirkungen auf die Finanzierung der Weltwirtschaft haben, insbesondere in den Schwellenländern? Bis jetzt zeigen die Daten, dass sich lokale Institute neben US- und japanischen Banken der Finanzierung von verschiedenen Krediten (z. B. Außenhandel) angenommen haben.
Fazit: Zurück zu den Wurzeln
In den letzten 40 Jahren hat der Bankensektor mehrere radikale Veränderungen und Krisen durchlebt, die den aktuellen Problemen ähneln. Die Jahre 1990/91 sind ein gutes Beispiel. Bestimmte Trends sind bereits zum Vorschein gekommen: Die regulatorischen Beschränkungen werden zunehmen, und Banken mit einem zu starken Fokus auf Leverage und Eigenhandel werden sich einer Generalüberholung unterziehen müssen, da die höheren Kapitalanforderungen ihr bisheriges Modell jetzt hinfällig machen.
Dagegen haben traditionellere Wirtschaftsmodelle mit dem Einlagen-/Kreditgeschäft als Kernstrategie einigen Banken geholfen, das Risiko zu reduzieren und eine sehr turbulente Phase zu überstehen. Der Nachteil sind hier aber häufig niedrigere Eigenkapitalrenditen. Bei einem solchen bedachten Geschäftsgebaren bedarf es daher strengerer operativer Kostenkontrollen.
Die Rückbesinnung auf den Kunden – insbesondere den Retailkunden – gibt Banken die Möglichkeit, sich neu zu erfinden. Der aktuelle Trend zu Finanzdienstleistungen per Mobiltelefon zeigt, dass die Technik neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen sollte. Die Kreditvergabe wird immer ein riskantes Geschäft sein, doch unabhängig von den regulatorischen Veränderungen sind sich die Banken mittlerweile voll und ganz bewusst, dass ein exzessiver Leverage gefährlich ist.
Es gibt keine Garantie dafür, dass die Umgestaltung des Sektors erfolgreich sein wird. Wenigstens aber haben einige Banken die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zum Anlass genommen, um sich neue Ansätze auszudenken und zu einem moderateren Risiko in Verbindung mit einer gleichfalls moderaten, aber gleichmäßigeren Ertragskraft sowie geringeren Kapitalzusagen überzugehen.
Die Zentralbanken sind für die Geldpolitik verantwortlich und kooperieren mittlerweile enger mit den Regulierungsbehörden, um eine makroprudenzielle Mission zu erfüllen. Technische Kontrollen sind weiter unverzichtbar, auch wenn sie sich in der Vergangenheit als zu begrenzt erwiesen haben, um spekulative Exzesse bei Vermögenswerten wie Immobilien abzuwenden. Indem Zentralbanken die übermäßige Risikobereitschaft von Banken und Schuldnern zügeln, bremsen sie vielleicht das Wirtschaftswachstum vorübergehend. Aber wenigstens können sie hoffen, den Finanz- und Wirtschaftsschock abzuwenden oder abzumildern, zu dem ein solches Verhalten zwangsläufig führt.
Sie würden außerdem ihre wichtigste Aufgabe erfüllen, die in der Sicherung der finanziellen Stabilität besteht. Die Lage in Spanien wäre heute eine völlig andere, wenn die Zentralbank des Landes bei der Immobilienkreditblase in den Jahren 2000 bis 2005 härter eingegriffen hätte. Gleiches gilt für die US-Notenbank ab dem Frühjahr 2006.
Wie sich „makroprudenzielle Steuerung“ definiert, ist natürlich noch eine offene Frage. Trotz der fast weltweit zunehmenden regulatorischen Hürden hat es der Bankensektor geschafft, sich eine gewisse lokale Dynamik zu bewahren. In den Schwellenländern ist das Bankwesen weiter auf dem Vormarsch, und manchen führenden internationalen Geldhäusern – darunter einige in Europa – gelingt es seit Langem, auf diesen Wachstumsmärkten eine strategische Präsenz zu unterhalten.
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