Die Eurokrise scheint sich zu einem Dauerthema zu entwickeln. Eine aktuelle Studie der OECD sieht zudem langfristig dunkle Wolken über Deutschland aufziehen. Über beide Themen sprach Cash. mit Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse Allianz Global Investors.
Das Gespräch führte Frank O. Milewski, Cash.
Cash.: Laut einer vergleichenden Studie der OECD soll Deutschland bis 2060 seinen Status als fünftgrößte Wirtschaftsmacht verlieren. Wie realistisch ist ein solches Szenario?
Naumer: Das ist durchaus realistisch. Nicht umsonst stehen bei uns die aufstrebenden Staaten im Allgemeinen und die BRIC-Staaten im Besonderen seit geraumer Zeit im Fokus. Dahinter steckt die Globalisierung: Die Welt ist eben nicht mehr geteilt in markt- versus planwirtschaftliche Volkswirtschaften, was zu erfolgreichen Industrie- und armen Entwicklungsländern führte.
Im Gegenteil: Die ehemaligen Planwirtschaften – und da ist China das beste Beispiel – können nun als Marktwirtschaft ihr Potenzial entfalten und holen auf. Mit Wachstumsraten, die für einen derartigen Aufholprozess typisch sind. Im Prinzip wiederholt sich dort das Wirtschaftswunder.
Cash.: Welche Möglichkeiten gibt es, diesem Verfall zu begegnen?
Naumer: Ist es ein „Verfall“, oder nicht viel mehr ein Wunder, dass Deutschland als flächenmäßig sehr kleines Land so lange eine so große Rolle spielen konnte? Jetzt können auch die anderen Länder ihre Kraft entfesseln und holen auf. So lange wir nur im Ranking, nicht aber bei der Forschung, der Qualität unserer Ausbildung, unserer Offenheit für den Welthandel und dem globalen Wettbewerb abfallen, ist daran gar nichts schlimm.
Cash.: Blicken wir auf die Gegenwart. Die Politik hat sich dafür entschieden, Griechenland „durchzufüttern“. Eine richtige Entscheidung, die sich auf Dauer fortsetzen wird?
Naumer: Gegenfrage: Was wäre der Preis gewesen es nicht zu tun? Wäre Griechenland fallen gelassen worden, wären sofort die Risikoprämien im Euroraum mit alle Folgewirkungen wieder massiv gestiegen. Dabei tut uns die Beruhigung nach dem „Draghi-Put“ sehr gut.
Wichtig ist nur: Griechenland muss so oder so seine Schulden abbauen und wettbewerbsfähiger werden. Wird es das, wenn die Troika sich nicht mehr darum kümmert?
Cash.: Wann rechnen Sie mit einem Ende der Eurokrise und mit welchem Ausgang?
Naumer: Der „Draghi-Put“ führte zu einer Stabilisierung, nicht aber zum Ende der Eurokrise. Die Ursachen müssen ja erst noch behoben werden. D.h.: Viele Euro-Staaten müssen auch an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten und ihre Schulden abbauen. Das ist ein langer Prozess.
Wir stellen uns daher schon seit geraumer Zeit auf eine „Finanzielle Repression“ ein – eine Zeit niedriger (Real-)Zinsen bei steigender Inflationsgefahr. Die Idee dahinter: Die Gläubiger der Staaten helfen beim Abbau staatlicher Schuldenberge durch ihre Bereitschaft, Minizinsen zu akzeptieren.
Cash.: Wie sollten sich Anleger derzeit und in der Post-Krisenzeit positionieren?
Naumer: In Zeiten der finanziellen Repression ist eine breite Diversifikation besonders wichtig, um eine positive reale Rendite und einen Vermögenszuwachs zu erzielen.
Da gehören Anleihen von Unternehmen oder den aufstrebenden Staaten Asiens dazu, genauso wie auch Unternehmen mit stabilem Wachstum, die beträchtliche Cashflows generieren und weniger sensibel auf die wirtschaftliche Entwicklung reagieren.
Hochwertige Dividendentitel, die ihre Ausschüttungen im Zeitablauf erhöhen, sollten ebenfalls mit zur ersten Wahl gehören.
Foto: Allianz Global Investors