Der Goldpreis scheint in den letzten Wochen eine Erholungsphase zu durchlaufen. Cash.Online sprach mit Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt des Edelmetallhandelshauses Degussa, über die aktuelle und zukünftige Entwicklung des Goldpreises und warum Anleger auch weiterhin auf Goldinvestments setzen sollten.
Cash.Online: Seit Kurzem ist eine Erholung des Goldpreises zu sehen. Inwieweit ist die Ukraine-Krise dafür verantwortlich?
Polleit: Für den Goldpreis spielen viele Faktoren eine Rolle, und nicht immer lässt sich die Wirkung eines Faktors verlässlich beziffern. Die sich zuspitzende Ukraine-Krise mag jedoch durchaus die Nachfrage nach Gold aufgrund des Absicherungsmotives und damit auch den Preis des gelben Metalls befördern.
Längerfristig wird der Goldpreis – und ich meine damit den Trend des Goldpreises – jedoch nicht von kurzfristig an- und wieder abschwellenden Krisenherden, sondern vor allem von der Ausweitung des ungedeckten Papiergeldes bestimmt.
Abgesehen von der aktuellen Gemengelage, wie schätzen Sie die langfristige zukünftige Entwicklung des Goldpreises ein?
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist nicht überwunden. Mit dem konjunkturellen Scheinaufschwung könnte es vielleicht schon in der zweiten Jahreshälfte vorbei sein. Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft zeichnen sich vor allem in China und Japan ab.
Die latente Gefahr, dass die internationale Papiergeld- und Schuldenpyramide in sich zusammensackt, ist größer, als viele Investoren meinen. Die Zentralbanken werden die Politik der Niedrigzinsen und Geldmengenvermehrung „aus dem Nichts“ fortsetzen.
Der Goldpreis, vorsichtig geschätzt, scheint zudem nicht überteuert zu sein im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen. Meine Einschätzung ist daher, dass der Preis des Goldes weiter nach oben gerichtet sein wird.
Als ein zentrales Argument für steigende Goldpreise gilt gemeinhin eine verstärkte Nachfrage in China und Indien. Inwieweit teilen Sie diese Einschätzung?
China und Indien sind mit Abstand die bedeutendsten Goldnachfrager weltweit. Die Chinesen haben 2013 etwa 1.120 Tonnen Gold nachfragt, die Inder etwa 975 Tonnen. Das war übrigens ein Zuwachs von 32 Prozent beziehungsweise 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die aufstrebenden Volkswirtschaften werden voraussichtlich auch künftig bedeutende Goldnachfrager sein. Es war schon immer so, dass das Gold in die Weltregionen fließt, wo sich Wohlstand aufbaut. Seit geraumer Zeit ist die Flussrichtung gen Osten: „Gold goes East“.
Lange Zeit galt Gold als Reservewährung und Stabilitätsanker. In welchem Umfang erfüllt das Edelmetall diese Funktion noch?
Gold ist das ultimative Zahlungsmittel. Das ist immer so gewesen. Experimente mit ungedecktem Papiergeld hat es in der Währungsgeschichte zuhauf gegeben. Sie haben stets für den Sparer ein unheilvolles Ende genommen.
Dass Gold das ultimative Zahlungsmittel ist, werden die meisten jedoch vermutlich erst dann erkennen, wenn die Geldnachfrage für die ungedeckten Papiergeldwährungen bereits schwindet.
Ökonomisch betrachtet ist Gold das beste Geld, das die Menschheit je hatte und, wie es aussieht, jemals haben wird. Ungedeckte Papiergeldwährungen kommen und gehen. Gold bleibt.
In welcher Form sollten Anleger auf Goldinvestments setzen?
Das hängt von den Beweggründen derjenigen ab, die Gold erwerben wollen. Wer lediglich auf kurzfristige Goldpreisbewegungen setzen will, der kann zum Beispiel Gold-ETFs erwerben.
Wer hingegen sein Vermögen gegen Verluste, die das ungedeckte Papiergeldsystem mit sich bringen wird, absichern will, der sollte physisches Gold erwerben, zum Beispiel in Form von Münzen oder Barren. Der Kauf und Verkauf von physischem Edelmetall ist mittlerweile sehr einfach und preisgünstig.
Interview: Natalie Lennert
Foto: Degussa