Bislang waren Aussagen wie „Das Zeitfenster schließt sich“ oder „Der Ball liegt im Feld der Griechen“ quasi feste Textbausteine eines jeden Kommentars über den griechischen Schuldenstreit. Irgendwie geriet jeder neue Tag zum alles entscheidenden Tag. Doch passiert ist dann ständig nichts.
Die Halver-Kolumne
Das war der Mythos der immer wieder letzten Frist. Doch jetzt kommt es gezwungenermaßen zur Stunde der Wahrheit: Pleite oder nicht. Denn die ordentliche Rückzahlung der Kredite an den IWF Ende Juni von ca. 1,6 Milliarden Euro wäre vielleicht für Helden der griechischen Mythologie möglich, aber in der schnöden griechischen Schuldenrealität können weder der Ministerpräsident noch der Finanzminister als Helden der Geldbeschaffung bezeichnet werden.
Auch von den Gläubigern darf es eigentlich keine frischen Finanzhilfen zur Abwendung des griechischen Staatsbankrotts geben: Ohne Reformliste, kein neues Geld. Damit haben die griechische Reformliste und das Bernsteinzimmer etwas gemeinsam: Sie sind unauffindbar.
Es geht nicht um Reformversprechen, es geht um Reformumsetzungen
Die Diskussion um eine Reformliste – als Auflage für die Verlängerung des Hilfsprogramms – war von Anfang an eine Phantomdiskussion. Es kann keine ordentliche Reformliste geben. Ansonsten würde die griechische Regierung zu Hause vom Hof gejagt.
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Was nutzt überhaupt die vollmundigste Reformliste, wenn sie nicht umgesetzt wird. Hilfsgelder an Griechenland kann es vernünftigerweise nur gegen Reformumsetzung geben. Versprechungen – das haben die griechischen Beteuerungen in der Vergangenheit oft genug gezeigt – sind schöne Worte, denen aber operative Substanz fehlt.
Glaubt man etwa einer Katze, die verspricht, das Mausen einzustellen? Nicht zuletzt fehlt es Griechenland an Infrastruktur zur Umsetzung von Reformen. Selbst eine Mehrwertsteuererhöhung würde – was man hört – an mangelnden verwaltungstechnischen Voraussetzungen scheitern.
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