Tatsächlich bekommt das grinsende Pokerface von Tsipras Sorgenfalten. Der politische Kompromisswille in Deutschland hat sich gegen Athen gedreht. Das liegt sicher auch an Wahlumfragen. Das gibt der Kanzlerin deutlich mehr Beinfreiheit für eine härtere Gangart gegen Athen. Einem massiven Verlust an Stabilitäts-Reputation kann sie nicht tatenlos zusehen.
Als entscheidende Gegenspielerin von Alexis Tsipras wird sie jetzt die Kosten einer finanzpolitischen Lösung (= Grexit) gegen die Kosten einer geopolitischen Lösung (= Verbleib) abwägen.
Steht der Grexit unmittelbar vor der Tür?
Steht der Grexit also unmittelbar vor der Tür? Vor allem die deutsche Regierung könnte Athen ein definitiv letztes Mal entgegenkommen, indem man auf die mittlerweile knappe Zeit für erforderliche parlamentarische Abstimmungen hinweist.
Und bestimmt findet man in den Niederungen der Kreditverträge mit Hellas noch masochistische Interpretationsspielräume für eine kurze Fristverlängerung zum Beweis, nichts unversucht gelassen zu haben. Bei ihrem nächsten sadistischen Angriff müssten die Griechen dann aber konsequent austreten. Sonst liegt der politische Glaubwürdigkeitsverlust bei 100 Prozent.
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Bei diesem Grexit mögen die Aktienkurse zwar zunächst sinken. Da die Rettungs-Schotten jedoch halten, also kein Lehman-Effekt auf andere Euro-Länder zu befürchten ist und der Austritt Griechenlands der Anfang vom Ende der Stabilitätskrise in der Eurozone ist, sind das klare Kaufkurse.
Der Grexit ist unter den aktuellen Gegebenheiten das Beste, was Europa passieren kann. Wenn Frau Merkel diesen Euro-Restabilisierungsprozess professionell einleitet und begleitet – und so etwas kann sie gut – wird sie zur Mutter Courage der Eurozone und ihrer Finanzmärkte.
Alexis, dann hättest Du zwar hoch gepokert, aber am Ende hätte unsere Angela gewonnen!
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.
Foto: Baader Bank