Wenn alles gut geht, könnte Anfang 2016 die iranische Wirtschaft beginnen, sich wieder in die Weltwirtschaft zu integrieren.
Kommentar: Dr. Heiko Peters und Oliver Rakau, DB Research
Dies birgt Chancen insbesondere für das Land selbst und seine 80 Millionen Bewohner. Es sollte aber auch dem Welthandel und den deutschen Exporten einen moderaten Schub geben. Zudem könnte eine erstarkende iranische Ölproduktion den Ölpreis dämpfen und damit das Wachstum der realen Einkommen der deutschen Haushalte stützen.
Historischer Durchbruch
Trotz aller gebotenen diplomatischen Vorsicht bezeichnen weltweit viele Politiker die Vereinbarung des Irans mit der Sechsergruppe nach 13 Jahren Verhandlungszeit als historisch. Es eröffnet Chancen, die Handels- und Finanzsanktionen schrittweise abzubauen. Die Sanktionen wurden im Jahr 2006 eingeführt und in den Jahren 2010, 2012 und 2013 verschärft, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen und den Fortschritt des iranischen Atomprogramms zu bremsen.
Damit es tatsächlich zu einer Aufhebung der Nuklear-Sanktionen kommen wird, muss der Iran erhebliche Bedingungen erfüllen (u.a. Begrenzung der Anzahl an Zentrifugen zur Anreicherung von Uran, voller Zugang von IAEA-Inspekteuren zu Atomanlagen). Eine Bestätigung der IAEA darüber wird erst für Anfang 2016 erwartet. Darüber hinaus muss die Übereinkunft noch den skeptischen US-Kongress passieren. Dem US-Präsidenten sollte es jedoch zur Not unter Nutzung seines Vetos gelingen, das Abkommen bestätigt zu bekommen.
Erhebliche Chancen
Für den Iran und seine Bevölkerung würden ein Wegfallen der Nuklear-Sanktionen und die sukzessive Re-Integration in die Weltwirtschaft erhebliche Chancen bieten. Nachdem die Sanktionen 2011 verschärft wurden und insbesondere die Einnahmen aus den Ölverkäufen wegfielen, fiel das Land in eine Rezession. Die Wirtschaft schrumpfte 2012 real um 6,6 Prozent und 2013 um 1,9 Prozent. Die Erholung im letzten Jahr (3 Prozent) fiel im Vergleich dazu und zum durchschnittlichen Wachstum der vergangenen 10 Jahre (5,2 Prozent) verhalten aus. Der Iran könnte auf die Freigabe von eingefrorenen Mitteln in Höhe von 100 Milliarden Euro hoffen. Dies sollte dazu beitragen, die darbenden Ölproduktionsstätten wieder auf Vordermann zu bringen, Exporterlöse zu erwirtschaften, mit denen Investitionen in die heimische Wirtschaft finanziert werden könnten.
Die Auswirkungen auf die Welt- und die deutsche Wirtschaft dürften aber überschaubar ausfallen. Mit seinen etwa 80 Millionen Menschen steht der Iran nur für knapp 1,1 Prozent der Weltbevölkerung. Der Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung fällt mit 1,2% auch nicht viel höher aus und die Bedeutung Irans beim Welthandel liegt bei nur knapp 0,5 Prozent. Legt man das Verhältnis zwischen dem Anteil am globalen BIP und am Welthandel anderer Länder zugrunde, könnte sich der iranische Welthandelsanteil u.U. verdoppeln.
Deutsche Exporteure in Wartestellung
Der primäre Transmissionsmechanismus auf die deutsche Wirtschaft läuft über die Exporte. Im Zuge der restriktiveren Sanktionen und der iranischen Rezession waren die deutschen Exporte von 4,4 Milliarden Euro (2005) auf unter zwei Milliarden Euro (2013) gefallen. Der Anteil an den deutschen Gesamtexporten schrumpfte dadurch von 0,6 auf 0,2 Prozent und der Iran war nur noch an fünfzigster Stelle der Exportmärkte (2005: 32). Gelitten haben vor allem die Maschinen- und Fahrzeugexporte, die sich von noch zwei Milliarden Euro im Jahr 2010 mehr als halbiert haben. Dagegen nahmen die deutschen Nahrungsmittelexporte in den Iran in den letzten Jahren sogar zu.
Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Irans und sollte vom Wegfallen der Sanktionen profitieren. Zudem dürfte sich im Iran ein erheblicher Investitionsstau gebildet haben, was angesichts der Spezialisierung deutscher Exporteure in diesem Segment zusätzlich positiv sein sollte. Sollten die deutschen Exporte in den Iran in Richtung des alten Höchststandes ansteigen, entspräche dies einem Plus von zwei Milliarden Euro. Das Plus könnte sogar 4,5 Milliarden Euro betragen, wenn der iranische Anteil wieder auf 0,6 Prozent anstiege. Das deutsche BIP-Wachstum könnte im letzteren Fall einen Schub von wohl maximal einem Viertel Prozent erhalten – verteilt über mehrere Jahre.
Diese Analyse beinhaltet jedoch nur den Warenhandel. Die Bedeutung des Dienstleistungshandels hat jedoch in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Hierbei könnten z.B. deutsche Architektenbüros von Infrastrukturinvestitionen profitieren. Andererseits hat China seine Position im Iran in den letzten Jahren spürbar ausgebaut und befindet sich damit in einer guten Ausgangslage, um vom Ende der Sanktionen zu profitieren.
Steigendes Ölangebot stützt reale Einkommen
Der zweite und weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehende Effekt des Deals auf die deutsche Wirtschaft könnte in wiedererstarkenden iranischen Ölexporten liegen. Unsere Rohstoff-Strategen erwarten, dass der Iran aufgrund des mangelhaften Zustandes seiner Förderstätten seine Produktion nur graduell anheben kann. Bis Mitte 2016 gehen sie von einem maximal möglichen Plus von 400.000 Barrel pro Tag aus (~+14 Prozent), das sich bis 2020 noch einmal wiederholen könnte. Damit bestehen gegenüber unserer Ölpreisprognose gewisse Abwärtsrisiken, da ein steigendes Angebot auf eine mäßig flexible Nachfrage stößt. Die Deutsche Bank sieht den Preis für ein Barrel Brent-Öl 2015 im Schnitt bei 60 US-Dollar und 2016 bei 70 US-Dollar im Vergleich zu derzeit etwa 58 US-Dollar .
Niedrigere oder weniger stark steigende Ölpreise lassen den deutschen Privathaushalten mehr Geld für andere (heimische) Güter und Dienstleistungen. Technisch ausgedrückt: Niedrigere Energiepreise dämpfen die Inflation und stützen dadurch die Entwicklung der realen verfügbaren Einkommen. Dieser Effekt ist einer der Hauptwachstumstreiber im laufenden Jahr und trägt entscheidend dazu bei, dass der reale private Konsum um gut zwei Prozent zulegen dürfte. Die Auswirkungen hängen stark von der Preisreaktion ab und dem Tempo, mit dem der Iran seine Produktion erhöhen kann. Derzeit liegt der iranische Anteil an der globalen Ölproduktion bei etwa neun Prozent (2006: gut 13 Prozent).
Die Autoren Dr. Heiko Peters und Oliver Rakau sind Analysten bei Deutsche Bank Research.