Energieanleihen aus Russland und Quasi-Staatsanleihen aus Indien waren bisher der Lichtblick in einem ansonsten ungünstigen Umfeld für Emerging-Markets-Anleihen.
Marktkommentar: Ariel Bezalel, Jupiter Asset Management
Wir haben gegenüber den Emerging Markets (EM) zuletzt eine vorsichtigere Haltung eingenommen, da viele dieser Länder mit erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Vor allem an den Devisen- und Anleihenmärkten in Ländern wie Brasilien, der Türkei und Südafrika ist es für Anleger in den letzten zwölf Monaten aufgrund der toxischen Kombination aus US-Dollar-Stärke, niedrigeren Rohstoffnotierungen und hoher Dollarverschuldung recht ungemütlich geworden.
Trotz massiver Kapitalabflüsse konnten sich diese Märkte im bisherigen Jahresverlauf etwas erholen. Aus unserer Sicht sind die Emerging Markets deshalb aber noch nicht über den Berg. Die schwächere Konjunktur in den USA deutet zwar darauf hin, dass die US-Notenbank ihre geplante Zinserhöhung möglicherweise noch etwas verschieben muss. Dennoch beurteilen wir den Ausblick für den US-Dollar weiterhin optimistisch und sehen auch trotz der jüngsten Rohstoffrally keine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Die Gewichtung der Schwellenmärkte im Portfolio bleibt daher insgesamt weiter gering.
Sondersituationen im Blick
Allerdings beobachten wir den Sektor genau und halten dabei immer Ausschau nach einzelnen Investmentmöglichkeiten, die andere Investoren übersehen haben könnten. So konnte der Fonds schon früher Sondersituationen nutzen, in denen sich durch wahllose Verkäufe attraktive Chancen auftaten. Auch zuletzt ist es uns wieder gelungen, einige wirklich überzeugende Titel zu identifizieren.
In Russland haben wir selektiv in kurzlaufende Unternehmensanleihen im Energiesektor investiert – zum Beispiel in Gazprom und Lukoil. Russische Unternehmensanleihen erlitten im vergangenen Jahr einen Ausverkauf als der Konflikt in der Ukraine und der Ölpreisverfall den Rubel auf eine Talfahrt geschickt hatten. In diesem Umfeld konnten wir Unternehmen identifizieren, die unserer Ansicht nach aufgrund ihrer Bilanzen ohne weiteres ein AA- oder A-Rating verdient hätten. Infolge der Investorenabneigung gegenüber Russland weisen die Papiere dieser Emittenten aber nun Renditen auf, wie sie eher BB- oder B-Anleihen gebühren würden.
Stahl und Diamanten
Entscheidend bei der Umsetzung solcher Investmentideen ist die Detailaufmerksamkeit des Teams. So kann die Fokussierung auf einen bestimmten Teil der Kapitalstruktur eines Unternehmens oder die selektive Auswahl von Sektoren in einem Land häufig den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Anlage machen. In Russland etwa haben wir uns für große Dollarverdiener wie Evraz (Stahl) und Alrosa (Diamanten) entschieden, weil sie eine weitgehend auf Rubel lautende Kostenbasis aufweisen und somit von der Schwäche ihrer Heimatwährung profitieren.
Einige dieser Positionen sind kurzfristig ausgelegt, da die Anleihen, die wir kaufen, in der Regel nur wenige Monate bis zum Rückzahlungstermin haben. Demnach müssen wir nicht verkaufen, um auszusteigen, sondern können das betreffende Papier einfach bis zur Fälligkeit halten und dabei gleichzeitig den attraktiven Zinsvorteil einstreichen.
In den letzten Monaten haben EM-Anleihen eine Outperformance erzielt, wobei sich unsere Russland-Strategie dank anziehender Rohstoffpreise und einer wirtschaftlichen Stabilisierung im Zuge der Entspannung im Ukraine-Konflikt besonders gut entwickeln konnte. Zudem hat der Rubel seit Anfang Februar gegenüber dem Dollar fast 30 Prozent an Boden gutgemacht. Wir beurteilen Russland positiv und haben daher unser Engagement in den letzten Wochen ausgebaut sowie bei einigen Positionen die Duration verlängert, da sich die Konjunkturaussichten des Landes inzwischen aufhellen.
Indien überzeugt
Indien ist ein weiteres Schwellenland, das uns überzeugt. Die Regierung von Premierminister Narendra Modi hat die gigantische Aufgabe in Angriff genommen, Indiens schwache Wirtschaft zu liberalisieren, und so die Wachstumsaussichten für das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt beflügelt. Parallel dazu ist vorgesehen, das Haushaltsdefizit bis 2017 auf 3 Prozent zu senken. Der aktuellen Prognose des IWF zufolge soll das indische Bruttoinlandsprodukt in diesem und im nächsten Jahr um jeweils 7,5 Prozent steigen.
Die Geldpolitik unter Indiens Notenbankgouverneur Raghuram Rajan wird von vielen Marktbeobachtern als umsichtiger und konsequenter eingeschätzt. Rajans umstrittene Zinserhöhung im Jahr 2013 diente zur Stützung der Währung und zur Eindämmung der Inflation in einer Zeit, in der die indische Rupie massiv an Wert verloren hatte. Seit er im Amt ist, ist die Inflationsrate von ihrem Höchststand von 11,2 Prozent im November 2013 auf 5,2 Prozent im März 2015 gesunken. Dies war nicht zuletzt auch dem niedrigeren Ölpreis zu verdanken, der die Rupie im ersten Quartal 2015 gegenüber den großen Währungen gestützt hat.
[article_line]
In den Emerging Markets hat die Dreierkombination aus kräftigem Wachstum, geringer Inflation und Haushaltskonsolidierung Anleiheinvestoren wie uns bisher stets gute Voraussetzungen geboten. Da in Indien nun die Inflation unter Kontrolle ist, hat die Reserve Bank of India einen Zinssenkungszyklus eingeleitet, der unseres Erachtens mehrere Jahre anhalten dürfte. Im März hat die indische Notenbank dabei bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinsschraube gelockert.
Unser Ansatz besteht folglich darin, das Augenmerk auf Lokalwährungsanleihen mit längerer Duration zu richten. So haben wir auf Rupie lautende Papiere von quasi-staatlichen Finanzierungsgesellschaften wie der Power Finance Corporation gekauft sowie von privatwirtschaftlichen Emittenten wie der Axis Bank, Indiens viertgrößter Universalbank. Die zusätzliche Risikoprämie für nicht-staatliche Anleihen bescherte uns beim Kauf Renditen von 8 bis 9 Prozent. Bei der Auswahl der richtigen Titel stützen wir uns konsequent auf eine gründliche Kreditanalyse, zumal es um die Corporate-Governance-Qualität in Indien nach wie vor recht schlecht bestellt ist.
Nach der starken Entwicklung seit Jahresbeginn hat die Rupie im bisherigen Monatsverlauf gegenüber dem Dollar und dem Euro an Boden verloren. Wir bleiben jedoch bei unserer Einschätzung, dass die Zinsen weiter sinken werden und die Rupie angesichts der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Lage sein sollte, den Folgen eines höheren Ölpreises standzuhalten. Für den kompletten Rohstoffsektor scheinen indes die Risiken aufgrund des Deflationsdrucks, der in der Weltwirtschaft herrscht, nach unten gerichtet zu sein – ein Effekt, der Indiens geringes Leistungsbilanzdefizit weiter kontrollierbar halten sollte.
Autor Ariel Bezalel ist Fondsmanager des Jupiter Dynamic Bond Fund.