In den Medien war EZB-Chef Mario Draghi zuletzt seltener präsent. Einige Beobachter bekamen sogar den Eindruck, der Notenbänker wolle unnötige Aufmerksamkeit von der Sitzung ablenken. Gastkommentar von Karsten Junius, Bank J. Safra Sarasin
Dabei stehen wichtige Entscheidungen an. Technische Parameter des EZB-Kaufprogramms müssen verändert werden, wenn es weiter operationalisierbar sein soll. Zudem wird die EZB feststellen müssen, dass ihre bisherigen Inflations- und Wachstumsprognosen wieder etwas zu optimistisch gewesen sind.
Auf ihrer Sitzung am Donnerstag wird die EZB bei ihren Prognosen Anpassungsbedarf nach unten realisieren. Nicht dramatisch viel – auf wahrscheinlich 1,5 Prozent für das Wachstum und 1,2 Prozent für die Inflation im nächsten Jahr; aber dennoch genug, um nicht ganz zufrieden sein zu können. Dass die Inflationsentwicklung auf einem nachhaltigen Pfad in Richtung 2,0 Prozent ist, kann die EZB jedenfalls noch nicht feststellen. Zuletzt lag die Jahresrate bei 0,2 Prozent und auch die Inflationserwartungen an Finanzmärkten und in Umfragen bleiben viel zu niedrig. Was tun? Bislang hat die EZB betont, dass sie ihr Kaufprogramm solange fortsetzen wird bis sie die Inflationsentwicklung auf einem nachhaltigen Pfad hin zu ihrer Inflationsnorm sieht. Das spricht aus heutiger Sicht klar für eine Verlängerung des Programms über März 2017 hinaus. Sicherlich könnte man dies auch noch im Dezember beschließen. Die EZB riskierte dann aber eine hohe Volatilität an den Finanzmärkten, die sicherlich gerne etwas Planungssicherheit bezüglich der zu erwartenden Nachfrage von Zentralbankseite hätten. 80 Milliarden Euro pro Monat mehr oder weniger Nachfrage nach Anleihen in der Währungsunion macht nicht nur einen kleinen Unterschied aus.
Wichtig zu klären wäre auch, wie das Kaufprogramm in Zukunft umgesetzt werden kann. Derzeit gehen vor allem der deutschen, finnischen, portugiesischen und irischen Zentralbank die verfügbaren Anleihen aus. Die EZB sollte daher schnell beschließen, welche zusätzlichen Anleihen erworben werden dürfen. Am einfachsten wäre es, wenn die EZB erlauben würde, Anleihen mit einer Rendite zu kaufen, die niedriger ist als ihr Einlagensatz von aktuell –0,4 Prozent. Zusätzlich könnte sie die Grenze hochsetzen, die das Eurosystem an einer bestimmten Emission und von einem einzelnen Schuldner hält. Käufe von Aktien hätten sicherlich auch einige Vorteile, aber für solch eine Maßnahme bräuchte die EZB wohl noch mehr Zeit.
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Das gleiche dürfte für tiefere Zinsen gelten, gegen die sich die öffentliche Stimmung immer stärker wendet. Das würde Draghi zwar wohl nicht von einer Zinssenkung abhalten, aber er würde sie idealerweise wohl etwas stärker verbal vorbereiten. Auf den aktuellen Wechselkursniveaus gehen wir aber nicht mehr von einer weiteren Verringerung der Zinsen aus. In jedem Fall dürfte Draghi die jüngsten Aufforderungen seines Direktoriumskollegen Cœuré wiederholen. Die unkonventionelle Geldpolitik bedarf der Unterstützung anderer Politikbereiche. Sonst besteht das Risiko, dass sie viel länger braucht, um erfolgreich zu sein. Aus temporär angedachten würden dann permanente geldpolitische Maßnahmen. Unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen wären dann nicht mehr auszuschließen. Karsten Junius ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin AG, Basel
Foto: Bank J. Safra Sarasin