Am vergangenen Freitag schockte der Ausgang des Brexit-Referendums die Börsianer. Die Kurse brachen am „Schwarzen Freitag“ ein und auch am Montag setzte sich die Talfahrt fort. Führende Experten anworten nun auf die entscheidenden Fragen.
Cash.: Welche Auswirkungen hat die Entscheidung aus Ihrer Sicht langfristig auf die Kapitalmärkte und die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands?
Christian von Engelbrechten, Manager des Fidelity Germany Fund: Im Detail werden sich die Auswirkungen des Brexit erst im Laufe der Zeit voll zeigen. Kurzfristig werden die erhöhten Schwankungen auch an den deutschen Aktienmärkten anhalten, was allerdings für langfristig orientierte Anleger einen guten Einstiegszeitpunkt in attraktive Unternehmen bedeuten könnte. So sind die Bewertungen deutlich gesunken und viele Qualitätsunternehmen – auch solche, die sich kaum in Großbritannien engagieren – sind günstig. Zudem werden die schwächeren Währungen vor allem der deutschen Exportindustrie helfen. Abgesehen vom Finanzsektor ist der direkte Einfluss des Brexit auf deutsche Unternehmen nicht wirklich groß.
Björn Jesch, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment und Vorsitzender des Union Investment Committee: In Europa droht ein institutioneller Dammbruch, denn auch in anderen Ländern dürfte die Austrittsdiskussion an Fahrt gewinnen: in den Peripherieländern wie z.B. Italien als verheißungsvoller Ausweg aus dem deutschen „Spardiktat“ und in Kernländern wie den Niederlanden, weil finanzielle Lasten ohne die Briten auf noch weniger Schultern verteilt werden. Die politische Landschaft Großbritanniens wird sich in jedem Fall verändern. Viele politische Beobachter sehen eine wachsende Gefahr, dass der aktuelle parteiinterne Konflikt zum Auseinanderbrechen der Tories führen könnte. Erste schottische Äußerungen deuten darauf hin, dass die Bestrebungen in Richtung einer Abspaltung Schottlands von Großbritannien wieder zunehmen.
Karl Stäcker, Sprecher der Geschäftsführung von Framnkfurt-Trust: Der Ausgang des britischen EU-Referendums hat viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt. Vor diesem Hintergrund ist auch für die nächsten Tage mit stark volatilen Marktbewegungen zu rechnen. Langfristig wird die Entwicklung der Kapitalmärkte aber von den Aussichten der Unternehmen in einer immer noch moderat wachsenden Weltwirtschaft bestimmt. Gerade Krisenzeiten bieten für fundamental orientierte Investoren gute Gelegenheiten, langfristig ertragreiche Investments zu tätigen.
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Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock: Wie sich europäische Risikoaktiva nach der kurzfristigen Reaktion verhalten werden, hängt entscheidend davon ab, wie die EU als Institution auf das Brexit-Votum reagiert. Wir schließen nicht aus, dass die erste heftige Marktbewegung zu Fehlbepreisungen und Verzerrungen an den Märkten führt, die nicht gerechtfertigt sind. Somit dürften sich eventuell auch Kaufopportunitäten ergeben, allerdings ist hier zunächst auf jeden Fall Vorsicht geboten. Es ist wahrscheinlich, dass ein schwächeres Wachstum und Arbeitsplatzverluste auf Europa zukommen werden. Dies dürfte zu langfristiger Euro-Schwäche sowie Druck auf europäische Aktien, Kreditpapiere und Anleihen von Peripheriestaaten führen. Die globalen Aktienmärkte und andere risikobehaftete Vermögenswerte dürften nachgeben.
Seite zwei: Wie beeinflusst der Brexit die Geschäftsentwicklung von Fondsgesellschaften