Aktuell steht die Deutsche Bank im Mittelpunkt der Berichterstattung. Dabei wird eine entscheidende Neuausrichtung bei der Commerzbank fast von der Öffentlichkeit übersehen. Der Rademacher-Kommentar
Aktuellen Meldungen zufolge wird die Commerzbank am Freitag ihre neue Zukunftsstrategie vorstellen. Diese beinhaltet, dass der Vorstandsvorsitzende Martin Zielke offenbar 9.000 Stellen streichen will, und damit deutlich mehr als von Experten erwartet wurde. Auch für die Aktionäre sieht es schlecht aus, sollen sie doch auf ihre Dividende verzichten.
Maßnahmen notwendig
Allerdings sind die Pläne vom Chef des zweitgrößten deutschen Institutes für den Erfolg der Gesellschaft eindeutig positiv zu bewerten. In dem sich dramatisch und schnell verändernden Branchenumfeld sind konsequente und tiefgreifende Maßnahmen das einzige Mittel, um einen weiteren Abstieg der Firma zunächst zu verhindern und in einem folgenden Schritt wieder Wachstum zu schaffen.
Ein Kernpunkt der Strategie soll hierbei die verstärkte Digitalisierung der Commerzbank sein, die angesichts zahlreicher neuer Konkurrenten aus dem Fintech-Sektor auf jeden Fall erforderlich ist. Zwar wird es Bankfilialen auch noch in mehreren Jahrzehnten in den Oberzentren geben. Allerdings nimmt die Relevanz dieses einst dominanten Vertriebskanals immer weiter ab.
Die Anteilseigner der Commerzbank zählten bislang zu den größten Verlierern. Sie verloren in den vergangenen zehn Jahren, bereinigt um die vielen Kapitalmaßnahmen der Unternehmensspitze rund 95 Prozent ihres Buchwerts. Hierzu trugen auch zahlreiche Aktienemissionen bei, welche die Zahl der Anteilscheine massiv verwässerte. Ein Reverse-Split im Verhältnis 10:1 führte nur zur einer optischen Kurskorrektur.
Neue Werte könnten geschaffen werden
Allerdings könnte sich die Lage für die Aktionäre mittelfristig bessern. Zwar fand eine tragfähige Bodenbildung bei dem Papier bislang noch kaum statt. Ein Abstieg aus dem Dax ist mittlerweile auch nicht auszuschließen. Allerdings hat eine schlankere Commerzbank, die wieder mehr Wachstumsimpulse setzen können, deutlich bessere Chance, ihren Unternehmenswert organisch zu steigern.
An der Börse wird bekanntlich immer noch die Zukunft gehandelt und diese hellt sich für die Frankfurter auf, wenn die Neuausrichtung gelingt. Sollten institutionelle Anleger wieder zu der Überzeugung kommen, dass die Ertragskraft der Frankfurter langfristig und stetig zunimmt, so wären sie auch zu einer höheren internen Bewertung bereit. Zur Jahresmitte betrug das Eigenkapital der Firma immerhin 29,7 Milliarden Euro. Der Börsenwert der Firma machte aber zuletzt nur 7,5 Milliarden aus. Wenn das Vertrauen der Anleger wieder zunimmt, dürfte sich diese Lücke schließen. Bis dahin dürfte die Volatilität bei dem Papier aber extrem hoch bleiben.
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert