Die Bilanz sei ernüchternd, sagte der Ökonom. So sei es der EZB nicht einmal gelungen, die am leichtesten von ihr zu beeinflussenden Indikatoren in die gewünschte Richtung zu drehen. „Zum einen sinken die realen Renditen am kurzen Ende schon seit einiger Zeit nicht mehr. Zum anderen wertet sich der Euro tendenziell eher auf als ab. Auch die erhoffte Belebung des Kreditgeschäfts in Europa kommt nur schleppend voran.“ Zudem könne die EZB die Inflationserwartungen nur begrenzt beeinflussen, so Lang weiter, denn sie habe nicht die Mittel, um die Rohstoffpreise zu stabilisieren.
„Steigende Gebühren und Prämien im Bank- und Versicherungsgeschäft“
Der EZB drohe darüber hinaus ein Verlust an Glaubwürdigkeit, warnte Lang. Sie brauche den Erfolg, sonst verliere sie zunehmend an Glaubwürdigkeit und Rückhalt in der Bevölkerung. „Je mehr und je länger die Zinsen in den negativen Bereich sinken und dort verharren, umso stärker spüren auch die Bürgerinnen und Bürger die negativen Auswirkungen“, erklärte der Volkswirt. „Wir denken an steigende Gebühren und Prämien im Bank- und Versicherungsgeschäft und bei den Krankenkassen sowie an weiter schrumpfende Renditen bei den Pensionskassen.“
Viele Zentralbanker hätten schon seit einiger Zeit darauf hingewiesen, so Lang, dass sich die europäische Geldpolitik „am Limit“ bewege. „Wenn jetzt im politisch ohnehin angeschlagenen Europa auch noch die Zentralbank an Reputation und Glaubwürdigkeit verliert, ergibt das kein gutes Gesamtbild.“
„Immer waghalsigere Experimente“
Auch Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand und CIO der Feri AG, kritisiert den Kurs der EZB. Sie ebne damit den Weg für ein monetäres „End Game“ – die faktische Übernahme von Staatsschulden durch die Zentralbanken, so Rapp. „Mit dem Ziel, ihre jeweiligen Länder vor einer tiefen strukturellen und ökonomischen Krise zu bewahren, vollziehen die großen Notenbanken in den USA, Europa und Japan seit Jahren immer waghalsigere Experimente.“ Die Bilanz nach sechs Jahren sei jedoch ernüchternd, sagte Rapp. „Weder wurden die angestrebten Inflationsziele auch nur annähernd erreicht, noch hat sich irgendwo auf der Welt das Wachstum erkennbar belebt.“
Quelle: dpa-AFX, lk
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