Im Fintech-Bereich konkurrieren der traditionelle Standort Frankfurt und das hippe Berlin derzeit stark miteinander. Ein führender Player bringt die Mainmetropole stark voran. Der Rademacher-Kommentar
Zuletzt waren die Meldungen aus der Frankfurter Finanzdienstleistungsbrache zumeist eher negativ. Zum einen wird die Commerzbank mittelfristig weitere knapp 10.000 Stellen abbauen und hat trotzdem mit niedrigen Eigenkapitalrenditen zu kämpfen. Zum anderen zweifeln viele Investoren ob die Deutsche Bank ihre zahlreichen Strafen ohne Kapitalmaßnahmen oder Staatshilfen zahlen kann.
In diesem Kontext ging eine positive Meldung von der Fintech Group nahezu komplett unter. Am Freitag meldeten die Frankfurter starke Halbjahreszahlen, die ein weiteres Mal belegen, dass der Umbruch in der Finanzbranche voranschreitet. Gegenüber der Vorjahresperiode steigerte die Gesellschaft ihre Umsätze um immerhin knapp 40 Prozent auf 48,35 Millionen Euro. Das betreute Depotvolumen schnellte sogar um fast 90 Prozent nach oben. Von solchen Wachstumsraten können die klassischen Banken nur träumen. Vielmehr machten bei einigen Instituten sogar Meldungen die Runde, dass traditionelles Geschäft im nennenswerten Umfang wegbricht.
Klein aber fein
Mit aktuell rund 200.000 Kunden ist die Fintech Group gegenüber den im Dax gelisteten Instituten sicherlich noch ein kleiner Wettbewerber. Hierauf deutet auch der Börsenwert der hin, der mit 270 Millionen Euro gegenüber den etablierten Firmen noch vergleichsweise niedrig ist. Allerdings dürfte CEO Frank Niehage mit seinem Unternehmen in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen, während klassische Anbieter schrumpfen.
In den vergangenen Quartalen hat der Manager zahlreiche neue Kooperationen und Produkte ins Leben gerufen, die auch zukünftig das Wachstum der Firma sichern dürften. Zu nennen ist hier unter anderem eine Partnerschaft mit der bekannten Unternehmensschmiede Rocket Internet, die sich in Berlin durch viele Erfolgsgeschichten einen Namen gemacht hat. Auch im Bereich Kundeneinlagen ist Niehage zusammen mit der Gesellschaft Zinspilot erfolgreich aktiv. Eine strategische Partnerschaft mit Morgan Stanley verfügt über ebenfalls großes Potenzial.
Netzwerke und Kreativität sind wichtig
Die Entwicklung der Fintech Group zeigt, dass die ganze Fintech-Branche mit innovativen Ideen und Netzwerken immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dadurch geraten klassische Geschäftsmodelle langsam, aber zunehmend unter Druck. Auch andere Firmen aus dem Sektor, die auf dem deutschen Kurszettel gelistet sind, verzeichnen derzeit hohe Wachstumsraten. Der Standort Frankfurt ist zwar gegenüber Berlin gemessen an den Löhnen und an den Mieten deutlich teurer. Auch ist der Arbeitskräftepotenzial im Vergleich zur Hauptstadt mit ihren gut 170.000 Studenten niedriger. Allerdings verfügt Frankfurt über eine hervorragende Infrastruktur und ermöglicht die engere Verzahnung mit klassischen Anbietern.
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Deshalb werden sich in Zukunft beide Städte zu Fintech-Hubs entwickeln und tausende neue Arbeitsplätze schaffen. Diese sind insbesondere für Frankfurt notwendig, da nicht nur die Deutsche Bank und die Commerzbank in Zukunft klassische Bankarbeitsplätze wegrationalisieren werden.
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert