Die Turbulenzen in China haben den Weltbörsen den schlechtesten Jahresstart seit Jahrzehnten beschert. Ist der Fehlstart Vorbote für das gesamte Jahr? Eine Einschätzung von Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland).
An negativen Nachrichten mangelt es nicht: Der zugespitzte Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien setzt die Krisenregion ohne Aussicht auf eine schnelle Lösung unter Druck. In China befindet sich die Stimmung im Industriesektor bereits zehn Monate in Folge im Schrumpfmodus. Mit 48,2 liegt der Einkaufsmanagerindex der US-Industrie auf dem tiefsten Stand seit 2009. Kein Wunder, dass viele Anleger das Ende des seit 2009 laufenden Aufschwungs der Weltwirt- schaft befürchten.
China kann Wirtschaft noch stimulieren
Dafür erscheint es allen Unkenrufen zum Trotz aber noch zu früh. China hat seinen gesamten Instrumentenkasten zur Stimulierung der Wirtschaft noch gar nicht genutzt. Eine Staatsverschuldung von 43 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lässt Raum für weitere fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen. Angesichts niedrigen Inflationsdrucks sind gleichzeitig zusätzliche Lockerungen der chinesischen Notenbank zu erwarten. Während die niedrigen Rohölpreise bei wenigen rohölproduzierenden Ländern zu riesigen Defiziten führen, stärken sie weltweit bei vielen Millionen Konsumenten die verfügbaren Einkommen.
Einer der Hauptprofiteure dieser Entwicklung ist die Eurozone. Neben einer verbesserten Verbraucherstimmung wirkt sich hier zusätzlich der schwache Euro positiv aus. So erreichte die Stimmung der Industrie zuletzt den höchsten Stand seit 18 Monaten. Mit mehr als 1,5 Prozent könnte die Eurozone daher 2016 sogar über ihrem langfristigen Potenzial wachsen. Auch in den USA bleiben die Verbraucher dank guter Arbeitsmarktlage und steigender Einkommen Wachstumsmotor. Trotz schwächerer Dynamik im Industriesektor ist ein BIP-Zuwachs auf dem Durchschnittsniveau der letzten Jahre von 2,3 Prozent in Sichtweite.
Ängste vor einem Ende des monetären Rückenwinds sind überzogen. Die US-Notenbank hat allenfalls Raum für wenige kleine Zinsschritte. Für die Notenbanken in Euroland, Japan und China gibt es zu der expansiven Geldpolitik keine Alternative. Die anhaltenden Rezessionen in einigen rohstoffabhängigen Emerging Markets (Brasilien, Russland) reichen daher auch 2016 nicht, die Weltwirtschaft in einen Abschwung zu führen.
Bewertungen der Aktien teils günstig
Eine moderat wachsende Weltwirtschaft und ein anhaltend niedriges Zinsniveau sind kaum Voraussetzungen für einen nachhaltigen Einbruch der Aktienkurse. Dies gilt umso mehr mit Blick auf die Bewertung. Zwar bewegen sich die US-Börsen am oberen Ende der historischen Bandbreite, die Aktienmärkte Europas und Japans sind jedoch nur wenig von ihren langfristigen Durchschnittswerten entfernt. Bei zahlreichen Emerging Markets wird dieser Wert sogar unterschritten. Der Fehlstart ins neue Jahr bedeutet daher nicht das Ende aller Börsenhoffnungen für 2016. Allerdings zeigen die Turbulenzen, in welch rauem Fahrwasser die Anlagemärkte unterwegs sind. Anleger sollten einen kühlen Kopf bewahren und ihre Positionen behalten. Deutliche Korrekturen bleiben antizyklische Kaufgelegenheiten.
Foto: HSBC Global Asset Management