An den internationalen Kapitalmärkten hat trotz der entschiedenen Notenbankpolitik ein Ausverkauf bei Staatsanleihen stattgefunden.
Gastkommentar von Walter Naggl, PT Asset Management
Die Rally, noch vor wenigen Monaten von der massiven Ausweitung des EZB-Kaufprogramms befeuert, ist fürs erste vorbei. Dabei hat die EZB ihre Politik nicht geändert. Die Auslöser für den jüngsten Einbruch an den Bond-Märkten sind vor allem die höheren Inflationserwartungen die sich jenseits des Atlantiks aufbauen.
Erster US-Zinsschritt im Dezember
Die US-Notenbank Fed hatte im September signalisiert, dass sie es begrüßen würde, wenn die amerikanische Wirtschaft „heiß laufen“ und die Inflation dabei über die ursprünglich ausgegebene Zielmarke von 2,0 Prozent schießen würde. Nun sind die Stundenlöhne in den USA aktuell 2,8 Prozent höher als vor einem Jahr, Tendenz steigend. Die Inflation der Verbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel beträgt 2,1 Prozent. Hinzu kommt jetzt noch die Aussicht auf ein Steuersenkungs- und Staatsausgabenprogramm unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Aus dieser Gemengelage heraus wird nun für Dezember ein erster Zinsschritt der Fed erwartet, dem weitere Zinserhöhungen folgen dürften. „Eine höhere Inflation und eine expansive Fiskalpolitik stehen also vor der Tür. Dieses Szenario ist vor allem für lang laufende Anleihen klar negativ und könnte weitere Korrekturwellen an den Bondmärkten auslösen.
Alle Blicke gehen nach China
Die weitere Entwicklung an den Anleihenmärkten wird davon abhängen, was in den kommenden Monaten in China passiert. Bleibt die chinesische Wirtschaft auf dem gegenwärtigen Wachstumspfad, dann dürfte sich der Kursverfall bei den Anleihen vorerst im gemäßigten Tempo fortsetzen. Hinter diesem Szenario steht allerdings ein dickes Fragezeichen: In China hat sich eine spekulative Blase am Immobilienmarkt und inzwischen auch bei Rohstoffen aufgebaut. Sollte diese Blase platzen, wäre die Weltwirtschaft massiv betroffen.
Es käme zu einem weltweiten Abschwung und in Jahren danach zu massiven konjunkturstimulierenden Maßnahmen, auch weltweit. Bei einer stark expansiven Fiskalpolitik gekoppelt mit der vorhandenen Geldschwemme ließe sich Inflation nicht vermeiden. Die Anleihenrenditen würden dann entsprechend dem konjunkturellen Abschwung zunächst sinken und danach entsprechend der steigenden Inflation deutlich ansteigen.
Wann die Immobilienblase in China platzt, lässt sich nicht vorhersagen. Investoren sollten dieses Szenario dennoch genau im Blick behalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist nicht zu unterschätzen.
Walter Naggl ist Chefvolkswirt bei PT Asset Management GmbH, Metzingen
Foto: PT Asset Management