Der jüngste Abverkauf an den Aktienmärkten war unseres Erachtens übertrieben negativ. Auslöser waren mehrere Faktoren: enttäuschende Wirtschaftsdaten, die Wachstumsabschwächung in China und die Gefahr einer erheblichen Abwertung des Renminbi sowie die Ansicht, dass die Geldpolitik der Zentralbanken zunehmend wirkungslos ist.
Gastkommentar von Larry Hatheway
Als ob dies noch nicht schlimm genug wäre, verunsichern politische Sorgen – angefangen von den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 über den Brexit bis hin zu den Problemen Deutschlands und Europas mit der Flüchtlingskrise – die Märkte zusätzlich.
Obschon dies große Herausforderungen für die Weltwirtschaft bedeutet, so gehen wir davon aus, dass sich die negative Stimmung an den Märkten als übertrieben erweisen wird. Dafür sprechen aus unserer Sicht die folgenden vier Gründe:
1. Es sind kaum weitere negative Überraschungen hinsichtlich der Wirtschaftsdaten zu erwarten. Die Aktienmärkte zeigen eine angemessene Korrelation mit Wachstumsüberraschungen. Aber die Überraschungsindizes fallen (oder steigen) aufgrund ihrer Zusammensetzung in der Regel nicht ununterbrochen. Die Konsenserwartungen passen sich an, wodurch die Überraschungen an Wirkung verlieren, was den Märkten hilft, wieder auf die Beine zu kommen.
2. Die US-Wirtschaft ist nicht fundamental schwach. Die Ausgaben in den USA profitierten stark von den steigenden realen Nettohaushaltseinkommen, die wiederum die Folgen eines hohen Beschäftigungswachstums und einer niedrigen Inflation sind. Ungleichgewichte gibt es nur in relativ kleinen Teilen der US-Wirtschaft (z. B. im Energie- oder High-Yield-Sektor). Selbst wenn man von einem weiteren Anstieg der Löhne und Gehälter ausgeht (was dem Konsum und der Endkundennachfrage zugutekommen würde), bleibt die Inflation in den USA niedrig – die Fed kann sich also in Geduld üben.
3. Europa auf Erholungskurs. Das Wachstum in der Eurozone wird durch Anzeichen für eine verbesserte Kreditschöpfung, die verzögerten Auswirkungen des schwächeren Euro und erstmals seit fünf Jahren durch diskretionäre finanzpolitische Maßnahmen in moderatem Umfang gestützt. Aus Aktienperspektive dürfte sich die Erholung der Eurozone positiv auf die Erträge auswirken, vor allem in Bezug auf eher inländisch ausgerichtete Unternehmen. In Japan haben wir eine ähnliche Situation. Dort weisen kleinere und mittelgroße Unternehmen nachhaltige Rentabilitätssteigerungen auf.
4. Das Wachstum in China ist eine „bekannte Unbekannte“. Das sich abschwächende Wachstum in China stellt kaum eine Überraschung dar und spiegelt sich bereits in den Preisen von Vermögenswerten wider. Sicher, es gibt Debatten über die offizielle chinesische Statistik, aber auch das ist nichts Neues. Die Schwäche der festverzinslichen Anlagewerte ist ebenfalls bestens bekannt. Allerdings ergibt sich das Wachstum in China nun in höherem Maße aus der Nachfrage, was dem gestiegenen Nettohaushaltseinkommen geschuldet ist, und der schnelleren Expansion der Dienstleistungen. Insgesamt durchläuft China einen Konjunkturabschwung, aber das Risiko einer „harten Landung“ bleibt gering.
Auch wenn diese Argumente Grund für mehr Optimismus geben, gehen wir nicht davon aus, dass die Verkaufswelle schnell umkehren wird – die zu erwartende Trendumkehr wird eher „U-förmig“ ausfallen. Die früheren „V-förmigen“ Marktmuster verdankten ihre schnelle Erholungsphase weitreichenden politischen Maßnahmen, darunter Interventionen zur Verringerung des finanziellen Stresses während der Krise in der Eurozone oder umfangreiche, unorthodoxe Lockerungen der Geldpolitik durch die weltweit mächtigsten Zentralbanken.
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Diesmal werden wir nicht damit rechnen können. Demzufolge wird sich der Prozess, eine Talsohle des Marktes zu finden, aufgrund der hohen Volatilität schwierig gestalten. Das Marktvertrauen wird sich erst allmählich wieder einstellen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass das Wachstum und die Gewinne nicht mehr enttäuschend ausfallen. Dies wird es den Anlegern ermöglichen, auf dem überverkauften Markt Opportunitäten zu finden. Die letztjährige Verkaufswelle im August und September kann als Warnung dienen, dass es lange dauern kann, bis sich die Märkte erholen.
Larry Hatheway ist Chefvolkswirt bei GAM
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