In Frankreich stehen die Chancen der rechten Kandidatin Marie Le Pen für den ersten Wahlgang sehr gut. Dies verunsichert viele Investoren, weshalb es an den Märkten zu massiven Turbulenzen kommen könnte. Gastkommentar von Michael Reuss, Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH
Sollten Marine Le Pen und ihr Gegenkandidat vor der entscheidenden Stichwahl gleichauf liegen, empfiehlt es sich, das Depot abzusichern. Denn die Rückkehr zum Franc und ein Austritt aus der EU ist Le Pens Königsweg aus der französischen Wirtschaftsmisere.
Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National (FN), versucht mit einem radikalen Wahlprogramm bei den Franzosen zu punkten. Ihrer Meinung nach ist der Euro für das schwache Wirtschaftswachstum in Frankreich verantwortlich. Sie kann sich dabei auf eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) stützen, wonach der Euro in Frankreich rund sechs Prozent überwertet ist. Die Rückkehr zum Franc und ein Austritt aus der EU (Frexit) ist daher Le Pens Rezept für die Lösung der Misere. Mit der Einführung des Franc will sie die eigene Währung abwerten, die Schuldenlast des Staates reduzieren und die französischen Unternehmen wettbewerbsfähiger machen.
Frankreich in wirtschaftlichen Nöten
Das ist dringend geboten. Frankreichs Konjunktur erholt sich nur zögerlich. 2016 zeigten innerhalb der EU nur Griechenland und Italien ein schwächeres Wirtschaftswachstum. Hinzu kommen hohe Lohnkosten und eine hohe Arbeitslosigkeit.
Die jüngsten Wahlumfragen sehen Le Pen als Gewinnerin des ersten Wahlgangs am 23. April. Für die entscheidende Stichwahl am 7. Mai kommt sie den Umfragen zufolge auf 40 Prozent. Auch wenn ein Sieg Le Pens eher unwahrscheinlich ist, müssen die Folgen eines möglichen Frexit frühzeitig einkalkuliert werden. Ein Überleben der Eurozone ohne Frankreich ist wohl nicht realistisch. Austritte weiterer (südeuropäischer) Länder wären vorprogrammiert. Zudem würde massiv Kapital aus Frankreich fliehen, das französische Bankensystem stünde wahrscheinlich kurz vor dem Kollaps. Die Folge wären weitere massive Kapitalströme aus den Peripherieländern (Italien, Spanien, Portugal und Griechenland) in die Nordländer der Eurozone (Deutschland, Niederlande).
Sollte Le Pen die Wahlen gewinnen, braucht sie die Mehrheit im Parlament, um machtvoll regieren zu können. Ein möglicher FN-Premierminister muss vom Parlament bestätigt werden. Die Wahlen zur Nationalversammlung finden am 11. und 18. Juni statt. Das französische Wahlsystem macht es für radikale Parteien allerdings schwierig, Sitze im 577-köpfigen Gremium zu gewinnen. Nach den Parlamentswahlen ist daher damit zu rechnen, dass die Opposition des FN einen eigenen Kandidaten zum Premierminister wählen wird. Das bedeutet: Es käme zu einer Kohabitation: Präsident (Le Pen) und Premierminister gehören unterschiedlichen Parteien an. Eine Konstellation, die es in der französischen Politik schon häufiger gegeben hat. In diesem Fall konzentriert sich die Macht des Präsidenten auf die Außenpolitik, während der Premierminister sich um das Tagesgeschäft und die Innenpolitik kümmert.
Optionen-Strategien sinnvoll
Sollten Le Pen und ihr Gegenkandidat (wahrscheinlich Macron) vor der entscheidenden Stichwahl am 7. Mai nahezu gleichauf liegen, empfiehlt es sich, das Depot abzusichern und genügend Liquidität (Euro, Schweizer Franken und US-Dollar) vorzuhalten. Eine mögliche Absicherung wäre ein Long-Straddle. Dies ist eine Optionsstrategie, bei der Anleger eine Call-Option und eine Put-Option kaufen. Beide sind am Geld mit dem gleichen Basiswert, dem gleichen Ausübungspreis und dem gleichen Verfallsdatum. Je nachdem, wie die Wahlen in Frankreich ausgehen, steigt die Call-Option oder die Put-Option. Eine Option verkaufen Sie mit Gewinn, die andere mit Verlust.
Michael Reuss ist Geschäftsführender Gesellschafter bei der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH in München
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