Es gibt sie doch noch: zuverlässige Umfragewerte, die fast punktgenau mit den tatsächlichen Wahlergebnissen übereinstimmen. So gesehen bei der jüngsten ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Zugegebenermaßen auch beim Verfassungsreferendum in der Türkei, als die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorausgesagt haben, das dann auch eintrat. Ein Gastkommentar von Michael Beck, Bankhaus Ellwanger & Geiger.
Das Ergebnis der Wahl in Frankreich wurde an den Finanzmärkten mit großer Erleichterung aufgenommen, da nun ein Wahlsieg des zwar parteilosen, aber gemäßigten und europafreundlichen Kandidaten Macron mehr als wahrscheinlich ist. Ein Wermutstropfen dabei ist nur, dass tatsächlich rund 40 Prozent der abgegebenen Stimmen bei Parteien mit linken oder rechten Extrempositionen gelandet sind. Trotz der Erleichterung muss man konstatieren, dass zumindest in Frankreich die Volksparteien derzeit obsolet sind. Dies kann an der allgemeinen Einschätzung der Franzosen liegen, dass die Wirtschaft in sehr schlechtem Zustand ist und Frankreich als Globalisierungsverlierer empfunden wird. Jedoch könnte sich der mögliche Sieg Macrons als Pyrrhussieg entpuppen, wenn es ihm nicht gelingt, auch in den nachfolgenden Parlamentswahlen eine Mehrheit zu zimmern. Dennoch erstrahlen die Aktienmärkte im Aufwärtstrend und notieren an ihren All-Time-Highs.
Stabile Verhältnisse an der Börse sind Trumpf
Interessanterweise auch in Ländern, in denen Populisten Wahlsiege errungen haben. Die „Trump-Rally“ ist hierfür das beste Beispiel. Und auch in der Türkei sind die Aktiennotierungen erst einmal gestiegen, als das Verfassungsreferendum im Sinne Erdogans ausfiel. Offensichtlich zählen an der Börse kurzfristig vor allem stabile Verhältnisse, wirtschaftliche Belastungen als Folge dieser Wahlergebnisse werden als in die Zukunft verlagert empfunden.
Diese Folgen gilt es jedoch zu beachten. Nicht nur die kaum eingelösten bzw. einzulösenden Wahlversprechen des 45. US-Präsidenten Trump könnten die hoch bewerteten Aktienmärkte in den USA empfindlich stören. Auch die sich abzeichnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Türkei aufgrund der wenig die gesellschaftliche Aussöhnung anstrebenden Politik Erdogans könnten auf die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in Schwellenländern allgemein ausstrahlen.
Sieg Macrons gut für Börsen
Umso erfreuter nehmen die Börsianer die Aufbruchstimmung zur Kenntnis, die ein frischer, unverbrauchter und eloquenter Präsidentschaftskandidat entfachen kann, der damit den Populisten linker wie rechter Couleur den Wind aus den Segeln nimmt. Ein endgültiger Sieg Macrons dürfte die hohen Kursniveaus zunächst unterstützen.
Foto: Thomas Bernhardt