In den Medien wurde zuletzt häufig über steigende Inflationsraten berichtet. Allerdings sollte diese Thematik differenzierter betrachtet werden. Gastkommentar von Axel Angermann, Feri Gruppe
Der Anstieg der Inflationsrate im Euroraum von 0,6 Prozent im November auf 1,1% im Dezember ist hauptsächlich auf höhere Rohstoffpreise zurückzuführen. Betrachtet man hingegen die Kerninflationsrate, also den Wert, der um die stärker schwankenden Energie und Lebensmittelpreise bereinigt ist, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Kerninflation lag im Dezember mit 0,9 Prozent lediglich 0,1 Prozentpunkte höher als im November. Sie ist zudem nach wie vor weit vom EZB-Zielwert von 2,0 Prozent entfernt. Insgesamt verharrt die Kerninflationsrate im Euroraum nun schon seit mehr als drei Jahren in einem engen Band zwischen 0,6 Prozent und 1,0 Prozent.
Wirtschaftsdynamik nicht hoch genug
Für einen nachhaltigen Anstieg der Kerninflation bedürfte es einer grundsätzlich höheren Wachstumsdynamik mit steigender Kapazitätsauslastung und höherer Beschäftigung. Die Unternehmen könnten dann versuchen, den entstehenden Kostendruck durch Preissteigerungen aufzufangen. Dieses Szenario ist jedoch nicht in Sicht. Das prognostizierte Wachstum für den Euroraum im Jahr 2017 liegt derzeit bei etwa 1,5 Prozent, und die Arbeitslosenquote beträgt aktuell knapp zehn Prozent: Dies sind keine Voraussetzungen für steigende (Kern-)Inflationsraten. Zwar könnte der schwache Euro einen gewissen Inflationsschub auslösen, weil er zu steigenden Importpreisen führt. Handelsgewichtet beträgt die Abwertung allerdings weniger als zehn Prozent. Das reicht nicht, um darauf die Erwartung deutlich steigender Inflationsraten zu gründen.
Während die Kerninflation also weiterhin niedrig ausfallen dürfte, ist für die Teuerungsrate einschließlich der Rohstoffpreise in den kommenden Monaten mit einem Schub zu rechnen. Weil die gegenläufigen Effekte – steigende Rohstoffpreise aktuell nach sinkenden Preisen im Vorjahr – noch eine Zeitlang weiter wirken, könnte im Euroraum zur Jahresmitte sogar die 2,0 Prozent-Marke überschritten werden. In Deutschland könnte dies sogar schon früher der Fall sein. Dieser temporäre Inflationsanstieg läuft voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte aus. Stetig weiter steigende Inflationsraten sind also nicht zu erwarten.
Höhere Inflation keine Folge der EZB-Politik
Dennoch ist die Phase extrem niedriger oder sogar negativer Inflationsraten vorerst vorbei. Das liegt jedoch nicht an der expansiven Geldpolitik der EZB, sondern vielmehr an der Normalisierung der Rohstoffpreise. Das erklärte Ziel der EZB-Politik, eine nachhaltig höhere Inflation von nahe 2,0 Prozent, müsste anhand der Kerninflation gemessen werden, und da stehen die Aussichten auf einen Erfolg weiterhin schlecht, solange die Politik des billigen Geldes nicht von wachstumsfördernden Strukturmaßnahmen begleitet wird.
Ganz anderes könnte die Entwicklung dagegen in den USA verlaufen: Dort befindet sich die Wirtschaft nach Jahren des Aufschwungs bereits nahe der Auslastung. Kommen jetzt noch staatliche Ausgabenprogramme hinzu, wie von der neuen Regierung unter Trump in Aussicht gestellt, könnten weiter sinkende Arbeitslosenzahlen und Knappheiten am Arbeitsmarkt die Löhne nach oben treiben und tatsächlich zu einer Inflationsrate von mehr als 3,0 Prozent führen.
Axel Angermann ist Chefvolkswirt bei Feri Gruppe, Bad Homburg
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