Für Michael Beck vom Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger kommt die in Europa versprühte Euphorie, verursacht durch den Wahlsieg von Emmanuel Macron, zu früh.
Erleichterung in Brüssel, Erleichterung in Berlin und Erleichterung an den internationalen Finanzmärkten. Selten wurde der Wahlsieg eines jungen, parteilosen und wie aus dem Nichts kommenden Präsidentschaftskandidaten so goutiert wie der Wahlsieg von Emmanuel Macron.
Nach dem Brexit-Tiefschlag beruhigen die beiden Wahlergebnisse in den Niederlanden und Frankreich nun die Gemüter, da das europäische Projekt nicht mehr in Gefahr scheint. Die Freude darf ruhig auch noch ein wenig andauern, zumal wenn die Aktienmärkte sich vor diesem Hintergrund so positiv entwickeln, wie sie das nach dem ersten Wahlgang mit Macron als deutlich in den Umfragen führendem Kandidaten getan haben.
Gutes Ergebnis bei Parlamentswahl wichtig
Allerdings könnte die Freude etwas verfrüht sein, denn der Präsident Macron muss erst noch im Juni bei der Parlamentswahl sein gutes Wahlergebnis bestätigen, um letztendlich etwas bewirken zu können. Und dies ist auch notwendig, weil ein erneutes Scheitern einer Regierung die ohnehin starken radikalen Ränder weiter stärken würde und das Schreckgespenst einer rechtskonservativen Präsidentin Le Pen nur um fünf Jahre im Schrank versteckt bliebe.
Überraschungsmoment bei Reformvorschlägen Macrons
Eine weitere Überraschung könnte in den konkreten Reformvorschlägen Macrons liegen. Die Bundesregierung in Berlin gehört derzeit zu den Regierungen, die die größte Erleichterung zeigen. Aber die „Lieblingsvorschläge“ Macrons betreffen heikle Bereiche, die bis dato in Berlin wenig Gegenliebe erfahren haben. Zentrale Haushaltsinstanzen mit einem europäischen Finanzminister und die Vergemeinschaftung von Schulden in Europa gehören zu diesen Themen. Nach dem Brexit-Paukenschlag, der ein Schlaglicht auf den Reformstau in der europäischen Union geworfen hat, war es schon wieder ruhig an der Reformfront geworden, da in der EU eine ungewohnte Einigkeit in Bezug auf die Verhandlungen mit Großbritannien gezeigt wird. Der neue französische Präsident, der zum Erfolg verdammt ist, wird seine Vorhaben stringent verfolgen. Für die Marktteilnehmer bedeutet dies den Fortgang der spannenden Zeiten und wieder die ein oder andere Unsicherheit, die man ja eigentlich auf dem Börsenparkett nicht so gern mag.
Michael Beck ist Leiter Asset Management beim Bankhaus Ellwanger & Geiger.
Foto: Thomas Bernhardt