Neue Investmentchancen auf dem alten Kontinent

Frankreich-Wahlen rücken in den Mittelpunkt

Noch wichtiger ist aber Frankreich. Mit Emmanuel Macron hat dort ein sozial- und wirtschaftsliberaler Reform-Kandidat derzeit gute Aussichten, die Nachfolge von Präsident Hollande anzutreten. Damit wäre die Frage nach einem „Frexit“ – die nach den Erfahrungen von 2016 unterschwellig die Märkte beschäftigt – endgültig vom Tisch.

Die institutionellen Probleme der Eurozone sind damit zwar nicht gelöst. Aber die akute Gefährdungslage hat sich entspannt, entsprechend sinkt die damit verbundene Risikoprämie.

Aus Investorensicht sprechen damit drei starke Argumente für Anlagen im Euroraum. Dies gilt in erster Linie für die Aktienmärkte. Wir trauen den Unternehmen auf Indexebene ein Gewinnplus von rund 12 Prozent für 2017 zu – der beste Treibstoff für weitere Kursanstiege. Auch der Euro dürfte im Außenwert zulegen, allerdings wohl eher ab dem zweiten Halbjahr. Rentenpapiere, die üblicherweise im Konjunkturaufschwung an Attraktivität einbüßen, profitieren zudem bis auf weiteres vom Anleiheankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Hier wirken zwei gegenläufige Effekte: Die gute Konjunktur setzt die Renditen zwar unter Aufwärtsdruck (und verursacht Kursverluste), die EZB wirkt jedoch genau in die andere Richtung. In Summe bietet der europäische Rentenmarkt zwar keine überbordenden Renditeaussichten, aber das Verlustpotenzial ist ebenfalls überschaubar.

EZB dürfte Geldhahn drosseln

Allerdings: Je länger das Jahr andauert, desto stärker dürfte eine Verringerung der geldpolitischen Unterstützung durch die EZB in den Fokus der Märkte rücken. Seit Anfang April erwirbt die Zentralbank „nur“ noch Anleihen im Volumen von 60 Mrd. Euro monatlich. Angesichts ihrer Ankauflimits (bei Emittent, Emission und Verzinsung) dürfte den Währungshütern aber spätestens zur Jahresmitte 2018 das kauffähige Material ausgehen. In Verbindung mit den verbesserten Konjunkturdaten sollte dies die EZB dazu bringen, ihre Maßnahmen weiter zurückzufahren – und zwar eher früher als später. Von diesem Schritt werden aber nicht alle europäischen Anlagen gleichermaßen betroffen sein. Einige (wie der Euro) werden profitieren, bei anderen (wie Aktien) werden die Wirkungen vom Einzelfall abhängig sein. Klar negativ sind die Effekte auf der Rentenseite.

Spricht dieser absehbare Verlust an geldpolitischem Rückenwind gegen ein Engagement in der Eurozone? Nein, denn insgesamt überwiegen die Chancen. Er unterstreicht aber die Notwendigkeit der genauen Differenzierung zwischen Assetklassen, Ländern, Branchen und Einzeltiteln. Und er zeigt die Bedeutung einer dynamischen Allokation im Zeitablauf. Denn wo gestern die Risiken überwogen, können heute die Chancen von morgen locken.

Max Holzer, Kapitalmarktstratege und Leiter Multi Asset Relative Return bei Union Investment, Frankfurt

Foto: Union Investment

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