Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied bei Union Investment, sieht das Jahr 2017 als eine Periode des Umbruchs. Insgesamt würden sich die Rahmenbedingungen rasant verändern.
Bei Politik, Konjunktur, Inflation und Zentralbanken ist seiner Einschätzung nach mit Trendwechseln im Vergleich zu den Vorjahren zu rechnen. „Seit Beginn der Dekade war das Umfeld zwar herausfordernd, aber durch einige Konstanten geprägt. Das ändert sich gerade“, erläutert er. „Wir sehen erste Anzeichen eines Wandels im Marktregime. Anleger sollten sich darauf einstellen.“
Globaler Konjunkturaufschwung synchronisiert und stabilisiert sich
Einen erheblichen Unterschied zu den vergangenen Jahren stellt nach Auffassung von Wilhelm das konjunkturelle Umfeld dar. Lange lasteten zwei Probleme schwer auf der Weltwirtschaft: Zum einen war das globale Wachstum nur von moderater Stärke. Zum anderen gab es keinen parallelen, gleichzeitigen Aufschwung in den wichtigen Regionen. Stattdessen war die Entwicklung sogar oft gegenläufig. „Die Eurozone wurde in den letzten zwei Jahren wirtschaftlich von der Schwäche in den Emerging Markets ausgebremst – davor war es genau umgekehrt.“ Dieses Problem verliert 2017 an Bedeutung. „Erstmals seit Langem sind alle wichtigen Wirtschaftsräume gleichlaufend im Aufschwung“, sagt das Vorstandsmitglied und ergänzt mit Blick auf die globale Konjunktur: „Synchronität schafft Stabilität.“
Im Ergebnis lassen die Prognosen von Union Investment ein weltweites Wachstum zwischen 3,0 und 3,5 Prozent erwarten. Dabei dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA um 1,8 Prozent zulegen, teilweise bedingt durch den unterstützenden Politikmix des neuen Präsidenten aus expansiver Fiskalpolitik und Deregulierung. „Donald Trump verleiht der US-Konjunktur eine zweite Luft“, fasst Wilhelm zusammen. Langfristig sieht er jedoch Fragezeichen hinter den Wachstumswirkungen der Trump’schen Wirtschaftspolitik. Für die Eurozone ist Wilhelm optimistisch. „Konjunkturell hat der Euroraum das Schlimmste hinter sich.“ Er rechnet mit einem BIP-Zuwachs von 1,5 Prozent. Als tragende Säule sieht das Vorstandsmitglied dabei nach wie vor die deutsche Volkswirtschaft, der er ein Plus von 1,7 Prozent zutraut. Aber auch einige Peripherieländer wie Spanien mit voraussichtlich 2,6 Prozent dürften 2017 spürbar wachsen.
Inflation auf dem Weg zur Normalität
Damit stuft Wilhelm das Wachstumsumfeld robuster ein als noch in den Vorjahren. „Eine Rückkehr zu Vorkrisenniveaus ist diese Entwicklung aber nicht“, schränkt er ein. Daher ist die angesprungene Inflation auch kein Grund zur Beunruhigung. „Die Wachstumskräfte sind noch nicht dynamisch genug, um über Zweitrundeneffekte eine nachhaltig steigende Inflation zu verursachen“, stellt er klar. Vielmehr sieht er die Entwicklung vor allem in statistischen Basiseffekten aus der Stabilisierung der Rohstoffpreise begründet und verweist auf die geringen Steigerungen bei der Kerninflation, also ohne Nahrungsmittel und Energie. „Was wir bei der Teuerung derzeit beobachten, ist eine Gesundung von den gefährlich niedrigen Raten der letzten Jahre. Daher ist die etwas höhere Inflation zunächst einmal eine gute Nachricht.“ Die Vorhersagen von Union Investment für 2017 liegen bei 1,3 Prozent für den Euroraum. Allerdings wächst laut Wilhelm mit der anziehenden Inflation auch der Druck auf die Sparer, ihr Vermögen vor Kaufkraftentzug zu schützen. „Niedrigzins und höhere Teuerung sind Gift für Festgeld oder Sparbuch. Beides sind akute Bedrohungen für den Wohlstand in Deutschland“, warnt das Vorstandsmitglied.