Aus der Schweiz wurde jüngst ein relativ schwaches BIP-Wachstum vermeldet. Dies steht im Gegensatz zu vielen vorlaufenden Konjunkturindikatoren. Gastkommentar von Ursina Kubli Bank J. Safra Sarasin AG
Für das laufende Jahr sind wir vorsichtiger als der Konsens und prognostizieren ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Bewahrheitet sich dieses verhaltene Wachstum in der Schweiz dürfte die SNB die Maßnahmen aufstocken, den Aufwertungsdruck auf den Franken zu bremsen. Wir erwarten, dass die SNB im 1. Halbjahr ihre Zinsen ein weiteres Mal senkt.
Andere Länder wachsen schneller
Das Wirtschaftswachstum war in der Schweiz im Jahr 2016 viel verhaltener als erwartet. Im vierten Quartal legte das Schweizer BIP wie auch schon im dritten Quartal nur gerade +0,1 Prozent zu. Dieses schwache Wachstum steht in starkem Kontrast zu den ökonomischen Vorlaufindikatoren, welche in der Schweiz auf eine kräftige wirtschaftliche Expansion deuteten. Auch im Vergleich zu anderen Ländern war das Schweizer Wirtschaftswachstum enttäuschend. Für das Gesamtjahr 2016 resultierte in der Schweiz ein Wachstum von 1,3 Prozent, während das BIP in der Eurozone 1,7 Prozent gewachsen ist.
Die Bauinvestitionen und der private Konsum haben das Wachstum gebremst während es im Jahr 2016 neben dem Staatskonsum und den Ausrüstungsinvestitionen von einem hohen Nettoexportüberschuss getragen wurde. Die hohe Exportaktivität in der Schweiz darf jedoch nicht zu einer voreiligen Schlussfolgerung führen, die starke Währung sei kein Problem für die Schweizer Wirtschaft oder der Franken sei womöglich gar nicht so überteuert, wie gedacht. Wäre das der Fall, könnte die Schweizerische Nationalbank aufhören am Markt zu intervenieren und damit den Franken aufwerten lassen.
Pharmaindustrie erfolgreich
Jedoch war das bemerkenswerte Wachstum der Exporte von insgesamt +4.6 Prozent im vergangenen Jahr vorwiegend von der Pharmaindustrie getragen. Aufgrund der hohen Margen und den fehlenden Substituten sind Pharmaexporte kaum von den Währungsentwicklungen tangiert. Die guten Exportdaten sind vielmehr auf den Entscheid zurückzuführen, in den vergangenen Jahren mehr Produktion in die Schweiz zu verlagern. Novartis zum Beispiel hatte 500 Millionen Franken in eine neue Produktionsstätte in Stein (AG) investiert. Ob eine höhere Produktionstätigkeit in der Schweiz ein struktureller Trend sein wird, wird sich erst noch zeigen. Grenzübergreifende Steuern in den USA oder eine unvorteilhafte Unternehmenssteuerreform in der Schweiz, könnte den Ausblick für den Schweizer Produktionsstandort trüben.
Andere Sektoren spüren jedoch den Gegenwind des starken Frankens. Auch die jüngste Publikation des Bundesamts für Statistik bezüglich der wachstumsstärksten Unternehmen zeigt einen geringeren Anstieg in den Sektoren Industrie und Energie sowie Gastgewerbe und Beherbergung an. Währungssensitive Sektoren bleiben unter Druck. Dementsprechend ist unser wirtschaftlicher Ausblick für das laufende Jahr etwas verhaltener als der Konsens. Wir erwarten ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent, während der Konsens 1,5 Prozent prognostiziert. Bewahrheitet sich dieses Szenario, dürfte sich die SNB weiterhin gegen die hohe Franken-Nachfrage stemmen. Wir erwarten, dass die SNB im ersten Halbjahr 2017 ihre Zinsen um weitere 25 Basispunkte senken wird.
Ursina Kubli ist Ökonomin bei der Bank J. Safra Sarasin AG, Basel
Foto: Bank J. Safra Sarasin AG