Die EZB ist ins geldpolitische Grübeln gekommen. Das Schreckgespenst der Deflation in der Eurozone hat sich verflüchtigt und die Wachstumsraten der Euro-Länder haben sich auf den ersten Blick stabilisiert. Steht der Einstieg in den geldpolitischen Ausstieg also kurz bevor? Die Halver-Kolumne
Nicht so schnell! Auf den zweiten Blick zeigen Deutschland und Spanien zwar stabiles Wirtschaftswachstum, doch dagegen sieht es in Frankreich und Italien mau aus. In Schulnoten ausgedrückt „4“. Daher werden auch die Vertreter der EZB nicht müde zu betonen, dass die Voraussetzung für ihren geldpolitischen Kurswechsel sehr solide Konjunkturen sind. In der Süd-Eurozone gibt es die nicht wirklich.
Und zur Abhilfe sollte niemand von Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron zu viel an Reformbewegung erwarten. Die wirtschaftspolitische To Do-Liste Macrons hat zwar Bibelstärke. Doch ich zweifele an seiner „Bibelfestigkeit“. Die Gefahr ist sogar groß, dass der Macronismus ebenso verweltlicht wird wie der Trumpismus. Macrons wirtschaftspolitischer Geist ist zwar willig, sein populistisches Fleisch aber schwach. Er weiß, dass es fast unmöglich ist, in Frankreich den Staub der Sozialromantik von 35-Stunden-Woche und Rente mit 62 wegzublasen, ohne dass jemand zu husten anfängt. Das sind die Niederungen der Realpolitik, mit denen auch Macron noch viel Spaß bekommt. Leider löst ein bisschen Reform-Kosmetik die Wirtschaftskrise nicht. Das schafft allein die Reform-Kernsanierung. Was also tun?
Macron als Trojanisches Pferd
Macron sucht nach einer transzendenten Krisenlösung durch die europäischen oder vor allem den deutschen Partner. So erklären sich auch seine aktuellen Reanimationsbemühungen der unter Hollande stark erkalteten deutsch-französischen Beziehung.
Doch hinter so viel emotionalen Liebesschwüren versteckt sich auch viel rationale Berechnung: Man erwartet von Deutschland eine Belohnung dafür, dass Europa mit der Wahl Macrons zum französischen Präsidenten vor dem Zerfall gerettet wurde und auch eine Wiedergutmachung für unsere unverschämt hohen Handelsüberschüsse.
So soll unter anderem die französische Konjunktur über ein Europäisches Budget, also die Vergemeinschaftung von neuen Schulden in Form von Euro-Anleihen – auch Euro-Bonds genannt – mit deutscher Bürgschaft gerettet werden.
Das erinnert an einen Song von Xavier Naidoo: „Was wir alleine nicht schaffen, dass schaffen wir dann zusammen“. Doch nur weil alle in der Eurozone den instabilitätspolitischen Schmuddelanzug tragen, wird daraus noch lange keine wirtschaftspolitisch attraktive Mode. Denn die Privatwirtschaft wird nicht investieren, wenn strukturelle Defizite den angeschlagenen Euro-Staaten erhalten bleiben wie dem Sommer die Mücken. La Grande Nation leidet nicht unter der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands, sondern unter seiner bislang gezeigten Ignoranz, sich dem globalen Konkurrenzkampf mit eigener Wettbewerbsfähigkeit entgegenzustellen.
Seite zwei: Berlins Suche nach dem geringeren Übel: EZB oder Euro-Bonds?