Die Anleiherenditen in den USA zogen zuletzt kräftig an – für einige Marktteilnehmer ein Warnsignal. Doch Krisensorgen sind verfrüht. Noch läuft die US-Konjunktur rund und eine weitere Rendite-Rally ist für den Moment nicht zu erwarten.
Ein Gastbeitrag von Stefan Hirschbrich, Union Investment
Ende April kletterte die Verzinsung von US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit erstmals seit dem Jahreswechsel 2013/2014 wieder über drei Prozent. Alleine in diesem Jahr beträgt der Anstieg mehr als 50 Basispunkte. Mit dem Überschreiten der psychologisch wichtigen Marke kamen weltweit Aktien und andere Risikoanlagen zweitweise deutlich unter Druck.
Vor allem zwei Faktoren könnten auf den ersten Blick Sorgen machen: Die Entwicklung der US-Teuerung auf der einen und der Zinsstrukturkurve auf der anderen Seite. Denn der Renditeanstieg der vergangenen Wochen ist unmittelbar mit höheren Inflationserwartungen verknüpft. US-Unternehmen und -Verbraucher bekamen zuletzt etwa sprunghaft angestiegene Rohstoffpreise deutlich zu spüren. Rohöl der US-Sorte WTI hat seit Jahresbeginn über 17 Prozent zugelegt. In den vergangenen Wochen hatten nach neuerlichen US-Sanktionen gegen Russland auch die Preise für einzelne Industriemetalle wie Aluminium und Nickel kräftig angezogen.
Zudem ist der US-Arbeitsmarkt aktuell so ausgelastet wie lange nicht. Die Arbeitslosenquote verharrt bereits seit mehr als sechs Monaten auf dem äußerst niedrigen Level von rund vier Prozent. Wenige offene Stellen verbessern die Arbeitnehmer-Position in Gehaltsverhandlungen. Das bedeutet in der Regel: höhere Löhne und damit steigende Preise. Um 2,5 Prozent zog die Teuerung im April gegenüber dem Vorjahresmonat an. Auch ohne die schwankungsanfälligen Komponenten wie Energie und Nahrungsmittel liegt die Rate inzwischen bei 2,1 Prozent.
Fed-Kurs treibt kurzfristige Renditen
All dies ruft zwangsläufig die Währungshüter der US-Notenbank auf den Plan. Die Federal Reserve dürfte einem zu starken Inflationsanstieg mit möglicherweise noch schneller als bislang erwarteten Anhebungen des Leitzinses begegnen. Und das zieht in der Regel die Anleiherenditen nach oben, insbesondere bei kurzen Laufzeiten. Zweijährige US-Treasuries rentieren inzwischen bei über 2,5 Prozent, mehr als 60 Basispunkte höher als zu Jahresbeginn. Die Zinsdifferenz zu den zehnjährigen Papieren liegt nur noch bei rund 45 Basispunkten. So gering war der Renditeunterschied zuletzt im Herbst 2007.
Insbesondere bei den kurzfristigen Renditen dürfte der Aufwärtsdruck weiter anhalten. Wir rechnen mit zwei bis drei weiteren Zinsanhebungen der US-Notenbank im laufenden Jahr, 2019 könnten drei weitere hinzukommen. Daneben finanziert die Trump-Regierung ihre Steuerreform durch neue Schulden. Diese Faktoren dürften die zweijährigen Renditen bis Ende Juni 2019 auf 2,9 Prozent ansteigen lassen – der Abstand zu den zehnjährigen Papieren schrumpft also weiter.
Seite zwei: Alarmsignal: flache Kurve?