Sollte die US-Wirtschaft wie 2015/2016 erneut schwächeln, so gehen wir davon aus, dass die Fed Umfang und Tempo ihres Zinserhöhungszyklus ein weiteres Mal anpassen wird.
Situation der EZB komplexer
Anfang 2017 begann die Europäische Zentralbank (EZB), ihr Programm zum Ankauf von Vermögenswerten zurückzufahren. Tatsächlich hat die EZB angekündigt, nach Dezember 2018 ihre Ankäufe im Rahmen des QE-Programms einzustellen (aktuelles monatliches Volumen von 30 Milliarden.; ab September 15 Milliarden Euro).
Es scheint, als würde die EZB einen ähnlichen Weg einschlagen wie einst die US-Notenbank, allerdings sind die Risiken und die politische Situation wesentlich komplexer: Eine neue Regierung in Italien, der baldige Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union sowie der sich verschärfende Handelskonflikt mit den USA und die Zunahme der geopolitischen Spannungen gefährden das Wirtschaftswachstum.
Angesichts des niedrigeren Ausgangsniveaus kurzfristiger und langfristiger Zinsen in der Eurozone und des geringeren Potenzialwachstums der Wirtschaft dürfte der Straffungsprozess der EZB nach unserer Einschätzung langsamer vonstattengehen als in den USA, da die Auswirkungen der geldpolitischen Änderungen auf das Wachstum, die Inflation und die allgemeinen finanziellen Bedingungen berücksichtigt werden müssen.
Tapering dennoch ratsam
Trotz dieser Risiken scheint das Tapering in Anbetracht des derzeit über dem Potenzial liegenden Wachstums in der Eurozone durchaus ratsam. Sollten die Risiken kurzfristiger Natur sein, könnten das Wachstum, die Inflation und die finanziellen Bedingungen bis Mitte des nächsten Jahres den Einlagezins erhöhen.
Die Bilanzverkürzung der EZB würde erst 2021 einsetzen. Allerdings gilt dabei wie zuvor in den USA: Sollten sich das Wachstum, die Finanzierungsbedingungen und/oder die Inflation durch die Geldpolitik deutlich verlangsamen beziehungsweise verschlechtern, dürfte die EZB ihre geldpolitischen Maßnahmen entsprechend drosseln.
Infolge der Neuausrichtung der Geldpolitik der EZB dürfte sich das Umfeld an den Anleihemärkten der Eurozone mit Blick in die Zukunft verschlechtern. Ein Ausblick folgt in Teil zwei dieses Gastbeitrages.
Patrice Gautry ist Chef-Volkswirt, Union Bancaire Privée – UBP
Foto: UBP
Hier gelangen Sie ab morgen 7 Uhr zu Teil zwei
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