Es gibt keinen Grund zur Sorge vor einer Blase, so Dietgen Müller in seinem Marktkommentar für die Börsen-Zeitung. Tatsächlich seien die Finanzmärkte viel widerstandsfähiger als gedacht. Grund dafür sei der wissenschaftlich belegte Zusammenhang zwischen Märkten und Banken.
Länger, höher, weiter: Seit Beginn der Aktienmarktrally im Jahr 2009 hat sich die US-Aktien-Benchmark S&P 500 mehr als vervierfacht und der Nasdaq Composite mehr als versiebenfacht. Zur Wochenmitte erreichten beide Indizes Rekordstände. Unter Berücksichtigung von reinvestierten Dividenden ergibt sich für den S&P 500 seit März 2009 eine Rendite von deutlich über 16 Prozent.
Inflationsbereinigt wäre der jährliche Ertrag zwei Prozentpunkte niedriger ausgefallen. Von solchen Werten können Investoren, die in die europäische Benchmark Euro 50 investiert haben, nur träumen – der Index hat sich seither noch nicht einmal verdoppelt. Der Dax, bei dem die Dividenden bereits einberechnet sind, hat sich immerhin mehr als verdreifacht.
Keine Unruhe bei der FED
Trotz der fulminanten, seit mehr als zehn Jahren anhaltenden Aktienmarktrally ist die US-Notenbank entspannt. Einige Assetpreise seien zwar etwas erhöht, aber nicht in einem extremen Ausmaß. Dies sagte US-Notenbankchef Jerome Powell anlässlich der Zinssitzung vom 1. Mai, als er gefragt wurde, wie er die Risiken für die Finanzmarktstabilität angesichts der gestiegenen Aktienkurse beurteile.
Powell fügte vieldeutig hinzu, in der Geldpolitik würden Risiken, welche die Fed von der Erreichung ihrer Ziele abhalten könnten, in Betracht gezogen. Die Instrumente seien bessere Kapitalausstattung, Liquidität und Aufsicht sowie Stresstests. Ansonsten ließ er durchblicken, dass es einige Besorgnis über die Verschuldung von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors gebe.
Dies aber vor allem, weil ein möglicher Wirtschaftsabschwung dadurch verstärkt werden könnte. Insgesamt sei die Verwundbarkeit der Finanzstabilität „moderat“ und das Finanzsystem ziemlich „resilient gegenüber Schocks“. Die Risiken im Zusammenhang mit Verschuldungshöhe und Refinanzierungsmöglichkeiten seien im historischen Vergleich niedrig.
Wissenschaft belegt Zusammenhang zwischen Banken und Finanzmarkt
Dass Powell den Fokus auf die Verfassung der Banken legt, passt in den Zeitgeist nach der Finanzkrise. Die Wissenschaft erbringt Nachweise, dass die Probleme der Finanzmarktstabilität mit der Verfassung der Banken verknüpft sind – wobei die US-Institute allein dank ihrer größeren Profitabilität besser abschneiden als die europäischen Institute und damit als resilienter gelten.
Wenn die Fed nicht einen kapitalen Fehler in ihrer Einschätzung macht, bedeutet dies ein grundsätzlich einigermaßen stabiles Umfeld für die Aktienmärkte, zumal die Inflations- und Zinserwartung immer noch gering ist. Implizit geht der Markt in den USA laut Bloomberg weiter von einer Zinssenkung um 25 Basispunkte innerhalb eines Jahres aus.
Selbst wenn der US-Aktienmarkt sich in einer Blase befinden sollte, sieht es nicht danach aus, dass die Notenbank mit einer deutlichen Zinserhöhung hier hineinstechen würde. Doch sollten sich die Inflationserwartungen verschieben, dürfte die Nervosität in dem seit einiger Zeit wieder erstaunlich ruhigen Markt sprunghaft steigen.
Risiken sind von der Charakteristik des Finanzinstituts abhängig
Eine kürzlich erschienene Untersuchung unter anderem der beiden Wirtschaftswissenschaftler Markus Brunnermeier und Isabel Schnabel betont ebenfalls den Einfluss, den die Charakteristiken von Banken haben können, wenn es darum geht, ob sich eine Finanzblase zu einer stabilitätsgefährdenden Krise entwickelt.
Wenig überraschend stellten sie fest, dass die Frequenz von Boom und Bust an den Aktienmärkten höher ist als in anderen Assetklassen. Im Mittel sind an den Aktienmärkten in Blasen die Kurse um 78 Prozent gestiegen und in der darauffolgenden Korrektur um 12 Prozent gefallen. Die entsprechenden Auf- und Abwärtsbewegungen am Immobilienmarkt sind moderater.
Interessanterweise hängen aber Boomphasen im Geschäftszyklus nicht zwangsläufig mit einem Boom an den Aktienmärkten zusammen, stellen Schnabel, Brunnermeier und ihre Kollegen fest. Die Korrelation sei leicht negativ.
Die Risiken für die Finanzstabilität stiegen zudem bereits in der Boomphase und seien stark von der Charakteristik des jeweiligen Finanzinstituts abhängig. Generell sind größere Banken stärker im Fokus und dienen je nachdem als Krisenverstärker.
Systemische Risiken aus einer geplatzten Aktienmarktblase könnten, so die Wissenschaftler, nicht völlig ausgeblendet werden, da ihre Auswirkungen auf schwächere Bankcharakteristiken gravierender sein können. Daran dürfte sich derzeit auch die Fed orientieren, wie Powell angedeutet hat. Die Notenbank wird sich hüten, im kommenden US-Wahljahr Erschütterungen an der Wall Street zu provozieren.