Ist das Ende der Fahnenstange bei Rhodium erreicht?

Mit der enormen Preisrally bei Palladium von gut 70 Prozent auf Sicht von zwölf Monaten hat das Edelmetall Gold und Silber in den Schatten gestellt. Ebenfalls um rund 70 Prozent legte Rhodium zu – allerdings in den letzten vier Wochen. Die Gründe dafür liegen in einer ungewöhnlichen Angebots- und Nachfragesituation.

An der Börse wird von einer Fahnenstange gesprochen, wenn der Kurs in eine massive Übertreibungsphase übergeht und nahezu senkrecht steigt. Dieses Verhalten zeigt seit einigen Wochen auch Rhodium: Seit dem Jahreswechsel legte die Aufwärtsdynamik kräftig zu, aktuell steht die Feinunze rund 70 Prozent höher und hat die Schallmauer von 10.000 Dollar überschritten. Ähnliche Niveaus wurden zuletzt kurz vor der Finanzkrise aufgerufen. Im Sommer 2008 kostete Rhodium gut 10.100 Dollar, anschließend folgte der freie Fall bis zum Jahresende auf 1.000 Dollar. Kommt es auch jetzt wieder zum Absturz?

Abgasnormen treiben die Nachfrage

Fundamental hat sich das Umfeld deutlich verändert. Rund 80 Prozent der Nachfrage entfallen auf Abgaskatalysatoren. Besonders die weltweit immer schärferen Abgasvorschriften treiben wie bei Palladium die Rally. Nicht nur in Westeuropa gelten zunehmend restriktivere Normen, auch in Asien verändert sich die Lage dramatisch. So könnte in drei Jahren in China die weltweit strikteste Abgasnorm gelten, zugleich nähert sich Indien den europäischen Vorschriften an. Setzt sich dieser Prozess fort, dürfte das weltweite Nachfragewachstum an Dynamik gewinnen.

Ewas gebremst wird die Fantasie durch eine sich abzeichnende schwächere Nachfrage aus der Industrie. Rhodium wird aufgrund seines hohen Reflexionsvermögens auch zur Beschichtung von Glas eingesetzt: So findet sich das Edelmetall in Spiegeln, Teleskopen, TV- und Computerbildschirmen sowie Glasfasern. Hier zeichnen sich aber wegen der Preisrally zunehmend Substitutionseffekte ab. So wird für die Glasfaserherstellung auf eine Legierung mit höherem Platin- und geringerem Rhodiumgehalt zurückgegriffen, wenn das Verhältnis von Rhodium zu Platin 4:1 übersteigt – aktuell sind es mehr als 8:1.

Beschränktes Angebot

Verstärkt wird der Preisanstieg durch die schwache Angebotsseite. Während weltweit rund 3.500 Tonnen Gold pro Jahr produziert werden, sind es bei Rhodium nur 25 Tonnen. Der Markt ist somit sehr klein, Reaktionen auf Verknappung wirken sich kräftig aus. Eine zügige Angebotsausweitung ist aber kaum möglich, Rhodium fällt als Nebenprodukt bei der Kupfer- und Platinerzeugung an. Zudem stammen rund 80 Prozent der Förderung aus Minen in Südafrika. Hier kommt es wegen Stromausfällen immer wieder zu Produktionsunterbrechungen. Sollte nun auch das Investoreninteresse mit einer anziehenden Nachfrage über physisch besicherte ETPs weiter steigen, würde dies die ohnehin angespannte Nachfragesituation zusätzlich befeuern.

Unter dem Strich scheint der Anstieg fundamental untermauert. Dennoch nimmt mit der Rally die Wahrscheinlichkeit einer Atempause zu. Ähnlich wie bei Palladium sollten Anleger den Automobilmarkt im Blick behalten. Dieser stellt das größte Risiko dar: Kühlt sich die Weltwirtschaft und die Nachfrage nach Fahrzeugen ab, droht die Preisrally zu kollabieren.

Foto: Shutterstock

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