Im März 2018 hat die EU-Kommission ihren EU Aktionsplan zur Nachhaltigkeit und der Rolle der Finanzwirtschaft zur Bekämpfung des Klimawandels vorgestellt. Die Europäische Kommission hat das Ziel ausgegeben, Europa zum Vorreiter für Nachhaltigkeit zu machen.
Damit gewinnt Sustainable Finance einen ganz neuen Stellenwert für die Zukunftsaspekte für Finanz- und Versicherungs-wirtschaft. Flankiert durch eine umfangreiche Regulierung ist jedem Vorstand klargeworden, das ist kein Trend mehr, das wird die neuen Herausforderungen sein und zieht enormen wirtschaftlichen Erfolg nach sich, wenn die richtige Positionierung gelingt.
Im Mainstream angekommen
Damit ist Sustainable Finance und die Nachhaltigen Geldanlagen im Mainstream angekommen. Viele Asset Manager sehen darin große Chancen und wollen ihren Beitrag zur Finanzierung nachhaltiger Aktivitäten von Unternehmen und die Begleitung der Transformation der Wirtschaft hin zu einer Kohlenstoff-armen Welt deutlich ausbauen Dies drückt sich in vielen neuen Finanzprodukten und damit verbundenen Marketing-Kampagnen aus und man kann den Eindruck gewinnen, dass die Finanzbranche schon immer das Zentrum der Klimaretter war.
Diese Entwicklung schreitet weitaus schneller voran, als die EU-Kommission mit der Umsetzung der Regulierung vorankommt. Hier zeigt sich auch im Finanzmarkt die Schwerfälligkeit der EU-Bürokratie und die Einzelinteressen der EU-Mitgliedsstaaten.
Unterschiedliches Umsetzungstempo
Zudem kann man bei der Umsetzung der Legislativpakete zum EU-Aktionsplan die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten erkennen. Gerade Frankreich legt hier ein sehr hohes Tempo vor, das Deutschland bisher nicht mitgehen konnte. So kommt es zu Verzögerungen in der Umsetzung von Verordnungen und immer wieder neuen Konsultationsrunden, die die Verbindlichkeit der Umsetzungsverordnungen nach zeitlich weiter verzögern.
Das Herzstück des EU-Aktionsplans, die Taxonomie, ist bisher nur in zwei Klimazielen fertiggestellt, vier weitere Umweltziele werden noch diskutiert. Eine Taxonomie für sozial/gesellschaftliche Aspekte ist gerade am Entstehen. Es werden aber noch Jahre vergehen, bis es hier wie auch im Bereich „Gute Unternehmensführung“ zu verbindlichen Standards kommen wird.
Marketing-Maschinen laufen an
Doch die Marketing-Maschine der Finanzwirtschaft beginnt zu laufen und stellt immer neue Formen von Fonds und Bewertungs- (Rating) Systemen vor. Der gute Gedanke einer Transparenzordnung für Nachhaltiges Investieren, so wie es die EU-Taxonomie, darstellen sollte, gerät ins Hintertreffen. Sicher wird die EU-Taxonomie eine Rolle spielen und auch Beachtung finden.
Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Finanzwirtschaft immer neue Ratings, Fonds und weitere Finanzprodukte kreiert, die eher den Tatbestand des Green Washings erfüllen, als tatsächlich die Transformation unterstützen. Selbst die im vergangenen Jahr herausgegebene Grüne Bundesanleihe trägt zunächst einmal zur Finanzierung des allgemeinen Bundeshaushalts bei. Die Zuordnung zu als grün anerkannten Projekten wird durch das sogenannte Kernteam (bestehend aus Bundesfinanzministerium, Bundesumweltministerium und Finanzagentur, Unterstützung durch KfW) vorgenommen.
Viele neue Finanzprodukte tragen „ECO“, „ESG“ oder „SDG“ im Namen. Ein Begriffs-Wirrwarr ist im Gange, was eher zu größerer Verwirrung bei den Verbrauchern und Investoren führen wird.
Unterschiedliche Begriffe verwirren eher
Ein Beispiel dafür ist auch die immer stärke Fokussierung auf den Begriff Impact Investing. Bisher wurde dieser Terminus vor allem von Spezialanbietern verwendet, um beispielsweise besondere Angebote für Stiftungen zu entwickeln und den Impact, den Stiftungsgelder entwickeln können ausweisen. Nunmehr hat die EU-Kommission mit der Offenlegungs-Verordnung ein Regelwerk in Bearbeitung, die als sozusagen oberste Klasse Nachhaltiger Geldanlagen, Impact Fonds vorsieht.
Noch ist nicht abschließend geregelt, wie die konkreten Ausgestaltungen dieser Investments sein muss, damit sie den regulatorischen Anforderungen genügen. Doch überall wird bereits der Begriff Impact Investment verwendet. Es wird der Eindruck vermittelt, dass nicht mehr ESG-Kriterien das ausschlagende Regelwerk sind, sondern die Unterstützung der Sustainable Development Goals (SDGs).
Etwas vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass der Produktanbieter einige der 17 SDGs mit seinem Finanzprodukt adressiert und schon liegt ein Impact Investment-Produkt vor. Doch wie erfolgt die Messung und der messbare Nachweis? Allein die Aufzählung von SDGs kann es ja nicht sein.
Wer sein Herz noch für Nachhaltigkeit entdeckt hat
Neben den Asset Managern, Versicherungsgesellschaften und Kreditinstituten haben auch die Rating-Agenturen und Datenanbieter ihr Herz für Nachhaltigkeit entdeckt. Seit 2018 ist eine Übernahme und Fusionswelle zu beobachten. Die einst in Deutschland führenden Nachhaltigkeitsresearch-Gesellschaften wie Oekom-Research oder IMUG haben ihre Eigenständigkeit weitestgehend eingebüßt und sind heute Bestandteil eine europa- oder weltweiten Datenanbieter-Systems. Oekom research schloss sich mit dem Institutional Shareholder Services Inc. (ISS) zusammen.
IMUG wurde exklusiver Research- und Vertriebspartner des neu geschaffenen ESG-Research-Anbieters Vigeo Eiris. Der Fondsdatengigant Morningstar übernahm den ESG-Spezialisten Sustainalytics komplett übernehmen. Und MSCI ESG Research als ein global führender Anbieter von Nachhaltigkeitsanalysen und Ratings im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) baut seine Kapazitäten ebenfalls kontinuierlich aus.
EU-Taxonomie wird es schwer haben
Alle Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten haben ihre Methodologie entwickelt und bauen diese weitere aus. In diesem Umfeld wird es die EU-Taxonomie schwer haben, ihre Standardsetzung gerecht zu werden. Nicht viel anders sieht es bei dem angedachten EU-ECO-Label aus. Erste Tests zeigen bereits, dass das Label viel zu speziell und damit begrenzt ist, um für den breiten Markt als Orientierungshilfe zu dienen.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch auf dem Markt der Label und Siegel nun ein Wettbewerb entsteht und viele neue Anbieter auf den Markt drängen. Bisher konnten sich Investoren an den ESG-Portfolio-Scores von Morningstar mit ihren Globen, der Bewertung von ISS-ESG und MSCI-ESG orientieren. Jüngst ist nun in Zusammenarbeit mit dem Datenanbieter Mountain-View Data das Eco-Rating für Fondsportfolios auf den Markt gekommen.
Right based on science hat ein Messverfahren entwickelt, das den Temperatur-Wert eines Portfolios misst und daraus der Vergleich zur international angestrebten Erderwärmung von 1,5⁰ C ermittelt werden kann.
Will die EU Standards setzen, muss sie schneller und verlässlicher entscheiden
Mit dem FNG-Siegel existiert ein Qualitätslabel für Investmentsfonds, das vor allem auf die Qualität und Verlässlichkeit der Investmentprozesse abzielt und dem Investor die Sicherheit gibt, einen Mindeststandard bei seinen Investmententscheidungen im Nachhaltigkeitsbereich einzuhalten.
Je mehr das Thema Nachhaltigkeit im Finanzmarkt Einzug hält, desto mehr Fintech-Unternehmen werden sich der Entwicklung von Mess- und Rating-Systemen widmen. Es tritt also genau das Gegenteil von dem ein, was die EU-Kommission mit ihren Vorgaben erreichen wollte. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die EU-Kommission mit ihrem EU-Aktionsplan dazu beigetragen hat, dass Nachhaltigkeit im Finanzmarkt nicht nur Einzug gehalten hat, sondern ein fester Bestandteil wird.
Will die EU allerdings Standards setzen, dann muss sie schneller und verlässlicher entscheiden und regulatorische Vorgaben umsetzen. Ende Februar wird der von der Bundesregierung eingesetzte Sustainable Finance Beirat seinen Abschlussbericht vorlegen. Vielleicht ergeben sich daraus auch für die EU Anhaltspunkte wieder in den Driver-Seat zurück zu kehren.