Finanzminister Christian Lindner drängt auf die Einführung der schon seit Jahren geplanten Aktienrente noch in diesem Jahr – und trotz der aktuell angespannten Finanzlage bei Bürgerinnen und Bürgern sowie der öffentlichen Hand ist dieser Schritt richtig und kann vor dem Hintergrund der demografischen Zwänge in Deutschland ein zentraler Meilenstein der zukünftigen Altersvorsorge werden. In einem ersten Schritt möchte die Ampel-Koalition zehn Milliarden Euro aus Steuergeldern als Anschubfinanzierung in die Aktienrente fließen lassen. Darüber hinaus empfiehlt der unabhängige wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Finanzen, jährlich weitere zehn Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in den Kapitalstock des Fonds einzubringen.
„Aufgrund der anstehenden Rezession und der drastischen finanziellen Belastungen aus der Ukraine-/Energiekrise droht dieses Vorhaben in den Hintergrund zu rücken“, kommentiert Dr. Wolfgang Sawazki, Vorstand des Investmenthauses SALytic Invest. „Vor dem Hintergrund etwa stark steigender Rüstungsausgaben und der teuren Subventionierung von Gas und Strom muss sichergestellt werden, dass die Versicherten mit den Beitragszahlungen nicht überfordert werden, was die Akzeptanz der Aktienrente ausgerechnet in der Startphase negativ beeinflussen würde.“ Zudem müsste die Anfangsfinanzierung vom Staatshaushalt übernommen werden, solange die Zinsen noch vergleichsweise niedrig sind.
Viele Belastungen für Arbeitnehmer zur selben Zeit
Nicht nur für den Staat, sondern auch für die Versicherten bedeutet die Aktienrente zunächst einmal eine finanzielle Mehrbelastung. Der Beirat des Bundesministeriums für Finanzen schlägt ein Modell nach schwedischem Vorbild vor: Der Rentenfonds soll von einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Institution professionell verwaltet werden und an den globalen Kapitalmärkten anlegen. Arbeitnehmer wären verpflichtet, 2,5 Prozent ihres Gehalts zusätzlich zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in die kapitalgedeckte Altersversorgung einzuzahlen. „Bei einer Inflation von aktuell rund acht Prozent stellt dies für viele eine erhebliche Mehrbelastung dar, insbesondere da die seit dem Ukraine-Krieg stark gestiegenen Gas- und Strompreise erst mit zeitlicher Verzögerung bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen und vielen unteren Einkommensschichten daher jeglicher finanzieller Handlungsspielraum genommen wird“, analysiert der Finanzexperte Sawazki. „Eine finanzielle Überforderung vor allem von Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen durch zu viele Kostentreiber zur selben Zeit gefährdet nicht nur die breite Akzeptanz dieses sinnvollen Projektes, sondern birgt im Extremfall sogar sozialen Sprengstoff.“ Daher sollte der Staat bei unteren Einkommen eine Anschubfinanzierung leisten.
Für Sawazki ist klar: Die Idee der aktienbasierten Altersvorsorge hätte schon viel früher umgesetzt werden sollen. „Zeit spielt bei der Aktienrente eine elementare Rolle, sowohl aufgrund der zu erwartenden langfristig höheren Rendite als auch aufgrund des demografischen Wandels. Im gegenwärtigen Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung müssen immer weniger junge Menschen die älteren Generationen finanzieren, was langfristig zu deutlichen Mehrbelastungen und wachsenden Rentenlücken führt. Auf lange Sicht wirkt eine Kapitalkomponente dem entgegen. Daher sollte die Aktienrente trotz der genannten Krisen jetzt zügig eingeführt werden, zumal der Einstiegszeitpunkt an den Aktienmärkten nach der Korrektur der Überbewertung nun historisch vergleichsweise günstig erscheint. Neben der Bewältigung der aktuellen epochalen Krisen dürfen strategische Aspekte von der Politik nicht aus den Augen verloren werden. Darunter hat die deutsche Politik in den letzten zwanzig Jahren in substanzieller Weise gelitten, wie die aktuelle Energiekrise und die jahrelangen Unterinvestitionen bei Militär, Bildung und Infrastruktur zeigen.“