Cash. sprach mit Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, über die Notwendigkeit, die Europäische Union zu reformieren und den drohenden Austritt Großbritanniens.
Cash.: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) gutgeheißen. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Fratzscher: Die EuGH-Entscheidung halte ich aus zweierlei Hinsicht für wichtig. Auf der einen Seite muss europäisches Recht von europäischen Gerichten entschieden werden. Ich halte es für gefährlich, wenn nationale Gerichte sich einmischen und europäisches Recht mitinterpretieren wollen. Das kann nicht funktionieren bei 28 Ländern. Deshalb sollten wir die europäische Rechtsprechung respektieren. Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Entscheidung der Europäischen Zentralbank massiv den Rücken stärkt. Schließlich signalisiert die EuGH-Entscheidung, dass das OMT-Anleihekaufprogramm ein überwältigender Erfolg der EZB ist. Letztlich ist es nichts Ungewöhnliches, weil es weltweit viele Zentralbanken genauso machen oder gemacht haben, teilweise in noch viel stärkerem Ausmaß. Es ist auch deshalb so wichtig, weil politische und rechtliche Unsicherheit auch Auswirkungen auf Finanzmärkte hätte und dort zu großen Unsicherheiten führen könnte. Denn Ansteckungseffekte durch die Griechenland-Krise sind nach wie vor möglich, wenn auch extrem unwahrscheinlich. Wenn beispielsweise ein größeres Land wie Italien in Bedrängnis kommt, könnte die EZB dieses OMT-Programm ebenfalls noch einmal sehr dringend anwenden müssen.
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Wie beurteilen Sie Ideen, zu nationalen Währungen zurückzukehren und lediglich im Hintergrund eine europäische Rechnungseinheit wie den jahrzehntelang genutzten ECU wieder einzuführen?
Davon halte ich nichts. Diese Forderungen kommen meist von den Leuten und Populisten in Deutschland, die sich nach den vermeintlich guten alten Zeiten der D-Mark zurück sehnen. Es gilt, im Blick zu behalten, wo die Probleme der Länder der Eurozone heute wirklich liegen – meist bei schlechten staatlichen Institutionen und fehlenden Strukturreformen – die nichts mit dem Euro zu tun haben. Und es empfiehlt sich, einen Blick auf die Stärken des Euro zu werfen, die nationale Währungen nicht bieten. Eine davon ist Stabilität in der Krise, sodass sowohl Regierungen als auch Unternehmen nach wie vor günstig an Kapital kommen. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland lautet der Tenor häufig, eine Abwertung würde den Volkswirtschaften helfen. Und wir Deutschen wissen am allerbesten, dass wir fünfzig Jahre ganz hervorragend mit einer starken stabilen Währung gefahren sind. Da hat niemand gesagt, „lass uns doch die D-Mark mal abwerten, damit die deutschen Exporteure mal wieder so einen richtigen Push kriegen und wir wieder wettbewerbsfähig werden“. Ganz im Gegenteil.
Seite zwei: „Griechenland hat keine hervorragenden Exportprodukte“