Ein besonderes Ei haben sich die Europäer – und damit die Briten selbst – durch MiFID II gelegt, sagt Rechtsanwalt Dr. Christian Waigel. Er hat sich die voraussichtlich im kommenden Jahr in Kraft tretende Verordnung im Lichte des Brexit betrachtet.
Bei den politischen Überlegungen für die Überarbeitung der MiFID-Richtlinie war der Umgang mit Drittstaaten heiß diskutiert. Drittstaaten sollte zunächst überhaupt kein Zugang in die EU eröffnet werden, beziehungsweise nur unter den erschwerten Bedingungen der Eröffnung einer Niederlassung.
Diese Niederlassung sollte nur erlaubt sein, wenn zum Beispiel ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Heimatland existiert oder eine Anlegerentschädigung, entsprechend dem EU-Vorbild, in dem Drittstaat gewährleistet ist. Diese Bedingungen richteten sich vor allem gegen die USA und die Schweiz und waren wohl nicht zuletzt ein Unterpfand für die Verhandlungen der viel diskutierten Freihandelsabkommen wie TTIP.
Der Kompromiss lautete dann aber, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten entscheiden sollen, und die Freiheit haben, Anbieter aus Drittstaaten nur dann herein zu lassen, wenn sie eine solche Niederlassung errichten und weitere Bedingungen erfüllt sind, wie zum Beispiel ein Doppelbesteuerungsabkommen oder eine Anlegerentschädigungseinrichtung in dem Heimatstaat.
Großbritannien droht Drittlandstatus
Tritt Großbritannien aus der EU aus, wird es zum Drittstaat und die Anbieter aus Großbritannien zu Drittlandfirmen im Sinne der dargestellten Regelung aus Artikel 39 der MiFID II. Damit richtete sich eine Schutznorm für die jeweiligen Mitgliedstaaten, die die Briten selbst beschlossen haben, nun gegen sie selbst. Verlangen nämlich nur einige wenige europäische Staaten von den Bankhäusern in Großbritannien eine Niederlassung, macht eine Lizenz in Großbritannien für ganz Europa überhaupt keinen Sinn mehr.
Dann ist eine Lizenz in einem EU-Staat immer überlegen, weil sie in jedem Mitgliedstaat gilt und einzelne Länder den Europäischen Pass nicht behindern können. Im Wettbewerb um die Goldmanns, Macquaries und andere lukrative Investoren dieser Welt mag es nämlich nur zu verlockend sein, den Briten auch noch diesen kleinen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ein kleiner Bumerang an versteckter Stelle, mit dem wohl die wenigsten Wähler in Großbritannien gerechnet haben.
Seite zwei: Zwei Optionen für UK
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