Bisher haben Frauen bei der Lebens- und Autoversicherung profitiert, Männer wegen kürzerer Lebenserwartung bei der privaten Rentenversicherung und in der privaten Krankenversicherung (PKV). Das wird sich in Zukunft gravierend ändern.
Immerhin: An bestehenden Verträgen ändert sich nichts. Aber: „Die Versicherungswirtschaft funktioniert nach dem Grundsatz einer risikogerechten Tarifkalkulation. Dieser Grundsatz wird durch das Urteil infrage gestellt“, kritisiert Klaus G. Leyh, Deutschland-Chef der Swiss Life.
Laut Versicherer-Lobby ist das Verbot geschlechtsbezogener Beiträge eine schlechte Nachricht für Verbraucher: „Ein Verzicht auf risikogerechte Tarife bedeutet letztlich, dass das durchschnittliche Prämienniveau insgesamt deutlich steigt“, sagt Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Dessen Präsident, jahrelang Chef der als sehr verbraucherfreundlich geltenden Huk-Coburg-Gruppe, verweist auf die Statistik und hält das Urteil schon deswegen für einen fatalen Irrtum: „Männer und Frauen haben eine deutlich unterschiedliche Lebenserwartung. Je nach Geschlecht werden deshalb auch unterschiedlich hohe Beiträge etwa in der privaten Rentenversicherung berechnet.“
Prämienerhöhung durch Hintertür?
Versicherungstarife werden so kalkuliert, dass die jeweils unterschiedlichen Risiken durch Prämienunterschiede kompensiert werden. Davon profitierten die Versicherten bisher in Form eines insgesamt günstigen Prämienniveaus, heißt es beim GDV. Die Vorfreude von Verbraucherschützern ist dagegen unüberhörbar. „Nur weil das Merkmal Mann und Frau einfach zu erheben ist, ist dies kein Grund, das jeweilige Geschlecht in statistische Sippenhaft zu nehmen“, kommentiert Gerd Billen das Urteil.
Der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) befürchtet, dass die Beitragsanpassung von der Versicherungswirtschaft zu allgemeinen Beitragserhöhungen genutzt wird. „Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) muss sicherstellen, dass unterm Strich die Beiträge für die identische Leistung nicht steigen“, fordert Billen und wird konkret: Nicht verbrauchte Sicherheitszuschläge sollten zu 90 Prozent den Verbrauchern gutgeschrieben werden.
Das hält Swiss-Life-Chef Leyh für Unfug. „Es wird doch niemand ernsthaft bestreiten, dass die Lebenserwartung von Frauen signifikant höher ist als die von Männern. Daher führt eine Einheitsprämie für Männer und Frauen zwangsläufig zu Verteuerungen, weil sowohl die Reservierungs- als auch die Solvenzanforderungen der Finanzaufsicht die Versicherer zu einer vorsichtigen Kalkulation zwingen“, schreibt er dem VZBV ins Stammbuch.
Seite 3: Bund der Versicherten haut in die Verbraucherschutz-Kerbe