Auch der Bund der Versicherten (BdV) haut in dieselbe Verbraucherschutz-Kerbe: „Da durch Unisex-Tarife der Schadenaufwand insgesamt nicht steigt, wird zwar der eine etwas weniger und der andere etwas mehr an Prämie zu zahlen haben, in der Summe aber werden die Prämien durchschnittlich eben gerade nicht steigen müssen“, sagt BdV-Vorstandschef Hartmuth Wrocklage.
Wenn die Prämien insgesamt erhöht würden, so diene dies ausschließlich der Gewinnsteigerung, so der BdV. Auch hier hält Leyh dagegen: „Wir als Versicherer werden gezwungen, Sozialversicherungselemente aufzunehmen. Nur: Der Staat muss keine Rückstellungen bilden, wir dagegen schon.“
Beim Marktführer Allianz sieht man das genauso. „Klar ist, dass das Urteil Versicherungen verteuern wird“, sagte Markus Rieß. Der Vorstandschef der Allianz Deutschland argumentiert so: Wenn Versicherer anstelle geschlechtsbezogener Statistiken auf weniger aussagekräftige individuelle Merkmale zurückgreifen, müssen sie entsprechende Sicherheitsmargen in ihre Kalkulation aufnehmen.
Gerechtigkeitsidee läuft ins Leere
Denn die Unternehmen seien verpflichtet, vorsichtig zu kalkulieren, um die Erfüllbarkeit der Verträge dauerhaft sicherzustellen. Von der Ergo-Gruppe ist zu hören, dass nicht jeder Beitrag zwangsweise steigen wird. „Die Beiträge werden sich irgendwo zwischen dem Männer- und dem Frauentarif treffen“, sagte eine Sprecherin.
Ganz so optimistisch sieht das der kritische Marktbeobachter Manfred Poweleit nicht. „Das Urteil ist ein Skandal“, sagt der Volkswirt und Chef des Branchenbeobachtungsdienstes Map-Report. „Die Richter haben offensichtlich überhaupt nicht gerechnet, dabei hat Versicherung sehr viel mit Mathematik zu tun.“
Poweleit nennt ein Beispiel, wie die Gerechtigkeitserwägungen ins Leere laufen. Laut Map-Report erhält ein Mann (65), der 50.000 Euro in eine sofort beginnende Rentenversicherung einzahlt, im Schnitt 300 Euro Monatsrente ausgezahlt. Nimmt man jetzt die Vorgaben des Gerichtes, bekommt er so viel wie eine gleichaltrige Frau, die ebenfalls 50.000 Euro eingezahlt hat.
„Klingt gut, setzt aber die Mathematik außer Kraft“, so Poweleit. Die Unbequemlichkeit der Sterbetafeln – bislang eine maßgebliche Kalkulationsgrundlage – wird einfach wegdefiniert. Das erschwert die Kalkulation solcher lang laufenden Verträge enorm. Denn nach aktueller Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes haben Männer eine Lebenserwartung von 77,33 Jahren, Frauen leben aber 82,53 Jahre.
Diese fünf Jahre Unterschied machen in der Summe bei identischer Einzahlung und Monatsrente eine Gesamtlleistung von 63.108 Euro für die Frau, jedoch nur 44.388 Euro für die Mann. Die Frau bekommt also 42 Prozent mehr. „Das ist nicht gerecht, sondern Männerdiskriminierung“, fasst Poweleit zusammen.
In der Rentenversicherung dürften die Beiträge in der Summe steigen, weil die Assekuranz einen neuen Risikopuffer braucht. Die Folgen sind für Poweleit klar: Jeder Mann, der fürs Alter mit einer Rentenpolice vorsorgen möchte, sollte seinen Vertrag bis zum 21. Dezember 2012 in trockenen Tüchern haben. „Danach macht es für Männer eigentlich keinen Sinn, sich freiwillig an diesem Frauenbeglückungsprogramm zu beteiligen.“