Wendet sich nun also das Blatt zugunsten des Vertriebs? Das wäre durchaus möglich, zumal sich zwischen den Zeilen einiger BGH-Urteile herauslesen lässt, dass die Richter zunehmend genervt sind von den vielen Haftungsfällen und den Massenverfahren.
So entschieden sie unlängst zwar gegen einen Initiator bzw. dessen Witwe, merkten aber ziemlich patzig an: „Die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Aufklärung eines Anlegers zu stellen sind, sind ausreichend geklärt“ (II ZR 104/13).
In dem Beschluss fassten die Richter auch ihre bisherige Rechtsprechung zur Prospekt- und Vertriebshaftung noch einmal recht ausführlich zusammen – so als sei das Thema damit für sie abgeschlossen.
[article_line type=“most_read“ cat=“Berater“]
Keine neuen BGH-Grundsätze mehr?
Vollständig ausgestanden ist die Vergangenheit damit allerdings noch nicht. Allein in Zusammenhang mit S&K, Infinus, Prokon, Wölbern und den vielen Schiffsfonds-Pleiten sind sicher noch eine ganze Menge Haftungsklagen auszufechten.
Wie bei dem aktuellen Zweitmarkt-Fall werden die Anlegeranwälte dabei wohl weiterhin jede kleine Formulierungsschwäche in den oft mehr als 100 Seiten starken Prospekten als Ausschlag gebend für die Anlageentscheidung aufbauschen.
Damit ist stets auch das Risiko verbunden, dass der BGH eine Darstellung kassiert, die in vielen früheren Prospekten enthalten war (oder eben nicht) und damit eine Vielzahl weiterer Klagen ermöglicht.
Nicht unberechtigt erscheint jedoch die Hoffnung, dass die Richter keine grundsätzlich neuen Anforderungen an den Vertrieb mehr aufstellen werden, die rückwirkend unzählige Vermittlungsvorgänge zu Haftungsfällen machen – und dass Anlegeranwälte künftig mit Massenverfahren weitaus vorsichtiger zu Werke gehen werden als bislang.
Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und beobachtet den Markt der Sachwertanlagen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 20 Jahren.
Foto: Anna Mutter