Im Prozess gegen Prof. Dr. Heinrich Maria S., den ehemaligen Inhaber und Chef des Emissionshauses Wölbern Invest, haben die Verteidiger auf Freispruch für den Angeklagten plädiert. Sie verbanden ihre Schlussvorträge mit heftiger Kritik an Gericht und Staatsanwaltschaft.
Einer der Hauptkritikpunkte der drei Verteidiger: Weder die Große Strafkammer des Hamburger Landgerichts unter dem Vorsitz von Richter Peter Rühle noch die Staatsanwaltschaft hätten dem aussagebereiten Angeklagten an den über 40 Verhandlungstagen Fragen zur Sache gestellt. Dies sei eine „Demütigung“ des Angeklagten. Es lasse „einen frieren“, wie vor Gericht mit S. umgegangen werde, sagte Verteidiger Wolf Römmig.
„Wer nicht fragt, erhält auch keine Antwort“, sagte Römmig mit Blick auf Staatsanwalt Heyner Heyen. Dieser habe auch nicht davor zurückgeschreckt, „ehrkränkende Äußerungen ins Blaue hinein“ zu tätigen. Der Staatsanwaltschaft sei es einzig und allein um die „Diffamierung“ des Angeklagten gegangen. Es sei eine „soziale Vernichtung“ betrieben worden, die „ihresgleichen suche“.
S. sei bereits im Vorfeld seiner Verhaftung im September 2013 zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden bereit gewesen, so Römmig. Der Angeklagte habe weder Verdunklungshandlungen vorgenommen, noch habe er „die Flucht ergriffen“. So verhalte sich niemand, der sich schuldig fühle.
Voreingenommenheit unterstellt
Verteidiger Arne Timmermann unterstellte, die Berufsrichter hätten von vornherein gewusst, wie das Urteil ausfallen wird. Die „Voreingenommenheit“ eines Gerichts sei selten so deutlich geworden wie in diesem Prozess, entlastende Beweismittel seien nicht zur Kenntnis genommen worden. Es gehe nur noch um das „wie“ der Verurteilung, nicht um das „ob“. Der Angeklagte mache sich „keine Illusion mehr über den Ausgang des Verfahrens“, so Timmermann. Die von der Staatsanwaltschaft geforderte zwölfjährige Haftstrafe für S. bezeichnete der Verteidiger als „absurd hoch“.
Von einem „unbedingten Verurteilungswillen“ der Kammer sprach Verteidiger Thomas Hauswaldt. Das Gericht sei S. von vornherein „feindlich gegenüber eingestellt“ gewesen, deshalb hätte sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Plädoyers gestellt. Befangenheitsanträge seien „unbegründet und unsouverän“ abgelehnt worden, verschiedene richterliche Beschlüsse ließen sich bereits als „Blaupausen“ des zu erwartenden Urteils lesen. Der Prozess sei „kein rechtsstaatliches Verfahren“ gewesen, kritisierte Hauswaldt.
Vorsatz laut Verteidigung nicht nachgewiesen
Timmermann bezeichnete es als unrealistisch, dass S. im fortgeschrittenem Lebensalter „von heute auf morgen“ beschlossen habe, kriminell zu werden. Der Nachweis eines zumindest bedingten Vorsatzes des Angeklagten sei der Staatsanwaltschaft nicht gelungen. S. sei freizusprechen, weil er sich auf den juristischen Rat seiner Berater habe verlassen dürfen.
Das Urteil wird für den kommenden Montag erwartet.
S. wird gewerbsmäßige Untreue in 360 Fällen vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft Hamburg soll er 137 Millionen Euro aus Immobilienfonds unrechtmäßig abgezweigt haben. In Höhe von 37 Millionen Euro soll er sich persönlich bereichert haben. S. bestreitet die Vorwürfe. (kb)
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