Haftung: Der BGH öffnet einen neuen Notausgang

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut zur Mittelverwendungskontrolle entschieden, auf den ersten Blick zugunsten des Anlegers. Doch das Urteil nimmt eine überraschende Wendung, die auch für die Vertriebshaftung relevant sein kann. Der Löwer-Kommentar

„Der BGH setzt seine jüngste Tendenz fort, nicht länger den immer gleichen Behauptungen von Anlegern und ihren Anwälten ohne weiteres zu folgen, auch wenn sie noch so weit hergeholt sind.“
„Der BGH setzt seine jüngste Tendenz fort, nicht länger den immer gleichen Behauptungen von Anlegern und ihren Anwälten ohne weiteres zu folgen, auch wenn sie noch so weit hergeholt sind.“

In dem Fall geht es um Beteiligungen von insgesamt 30.000 Euro an zwei gleichartigen Medienfonds im Mai 2005. Der beklagte Treuhänder war auch Mittelverwendungskontrolleur, und nach den Prospekten sowie den Gesellschafts- und Mittelverwendungskontrollverträgen sollte der Anleger das Geld jeweils auf ein „Treuhandkonto des Treuhänders“ einzahlen, über das ausschließlich dieser verfügungsberechtigt sei.

Zwar erfolgten die Zahlungen des Anlegers tatsächlich auf Konten, für die allein der Treuhänder zeichnungsberechtigt war. Sie lauteten aber nicht auf seinen Namen, sondern Kontoinhaber waren die Beteiligungsgesellschaften, also die Fonds.

Die Geschäftsführung der Fonds wäre als Kontoinhaber somit grundsätzlich in der Lage gewesen, vertragswidrig die Zeichnungsberechtigung zu ändern, und auch Gläubiger der Fonds hätten im Zweifel Zugriff auf die Konten gehabt, so der BGH (III ZR 411/16).

Treuhänder grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet

Beides ist nicht passiert und eine vertragswidrige Verwendung der Mittel war offenkundig ebenfalls nicht zu beklagen. Die Abweichung hatte also keine negativen Folgen. Aber der Treuhänder hätte den Anleger über die Diskrepanz zwischen Prospekt und Verträgen einerseits und den tatsächlichen Gegebenheiten andererseits aufklären müssen, befindet der BGH.

Deshalb ist der Treuhänder grundsätzlich zum Schadenersatz verpflichtet – und zwar des „Zeichnungsschadens“, also der gesamten Zeichnungssumme abzüglich eventuell bereits erfolgter Rückflüsse. Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende.

Der BGH verweist das Verfahren zurück an das Oberlandesgericht (OLG) Köln. Das kommt sicherlich nicht nur Juristen, sondern auch vielen Vermittlern bekannt vor: Das OLG muss nun klären, ob die Aufklärungspflichtverletzung des Treuhänders tatsächlich kausal für den Schaden war.

Seite 2: Wie bei der Vertriebs- und Prospekthaftung

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