GAU am BGH: Schadenersatz ohne Schaden

Ein neues BGH-Urteil hat das Potenzial, eine weitere Klagewelle in der Sachwertbranche auszulösen. Denn auch die Prospekte von erfolgreichen Fonds – insbesondere die Prognosen – können nun massenhaft in das Visier von Anlegeranwälten geraten. Der Löwer-Kommentar

 

„Das Urteil lädt zum Missbrauch geradezu ein und macht die Emission von Sachwertanlagen für die Anbieter sowie den Vertrieb endgültig unkalkulierbar.“

Es ist ein ziemlich bizarres Urteil, das der Bundesgerichtshof (BGH) am vergangenen Freitag veröffentlicht hat (II ZR 17/17). Demnach kann ein Fondsanleger auch dann Schadenersatz wegen eines Prospektfehlers verlangen, wenn er seinen Anteil nicht zurückgibt, sondern ihn behält. Das gilt auch dann, wenn der Fonds (über-)planmäßig läuft oder sogar bereits erfolgreich beendet wurde.

Anleger können demnach einen Schaden einklagen, ohne auf erhaltene oder zukünftige Gewinne aus dem Fonds verzichten oder diese gegenrechnen zu müssen.

Reichlich merkwürdige Ausgangssituation

Schon die Ausgangssituation des Falls ist reichlich merkwürdig: Die Kläger hatten sich Ende 2001 in zwei Varianten an einem Windenergiefonds beteiligt; Verluste – wie sonst bei Schadenersatzklagen – sind jedoch nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Die erste Beteiligungsvariante wurde offenbar – wie von vornherein vereinbart – 2013 vollständig (zu 106 Prozent) zurückgezahlt. Für die zweite Variante haben die Kläger 2015 ein Sonderkündigungsrecht ausgeschlagen, mit dem sie ihre Investition fast verdoppelt hätten.

Ob der Fonds planmäßig läuft, ist zwar strittig, aber offenkundig handelt es sich keineswegs um einen Sanierungsfall. Auch wollen die Anleger ihre Beteiligungen nicht etwa zurückgeben oder rückabwickeln. Trotzdem verklagen sie – auch für die wohl bereits beendete und zurückgezahlte Beteiligungsvariante – die Gründungsgesellschafter des Fonds auf Schadenersatz. Wie das?

Ertragsprognosen zu hoch

Die Kläger behaupten, die Ertragsprognosen im Prospekt seien dauerhaft um zehn Prozent zu hoch angesetzt gewesen. Der Wert der Beteiligungen zum Zeitpunkt des Beitritts habe deshalb weniger als 50 Prozent des Anlagebetrags betragen und sie hätten entsprechend zu viel für die Beteiligung bezahlt.

Die Differenz wollen sie nun ersetzt haben – ohne den Fondsanteil zurückzugegeben oder Gewinne, Rückflüsse und Steuervorteile gegenzurechnen. Stattdessen verlangen sie zusätzlich noch Zinsen auf den angeblich zu viel gezahlten Betrag.

Ein reichlich wirres und aussichtsloses Unterfangen, sollte man meinen. Das hatten auch das Land- und das Oberlandesgericht so gesehen und die Klage abgewiesen. Der BGH jedoch entschied nun anders.

Seite 2: „Beteiligung zu teuer erworben“

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