Seit Monaten schon kennen die Charterraten für Containerschiffe – einst der wichtigste Typ für Schiffsfonds – nur eine Richtung: steil nach oben. Am 23. Juli erreichte die Marktstatistik des Schiffsmaklers Harper Petersen gar eine neue Schallmauer: 100.000 US-Dollar. So viel kostet die Miete für ein Containerschiff mit 8.500 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU). Pro Tag. Selbst für einen Frachter mit 3.500 Stellplätzen zahlen die Charterer aktuell 64.000 US-Dollar am Tag bei einer Vertragslaufzeit von sechs bis zwölf Monaten – ein noch nie da gewesenes Niveau.
Höhenflug der Charterraten
Harper Petersen erfasst seit 2004 die Charterraten für Containerschiffe zwischen 700 und 8.500 TEU und errechnet daraus den Index Harpex. Damals waren Frachter mit 8.500 Stellplätzen die größten auf den Weltmeeren. Heute bauen die Werften Giganten mit bis zu 24.000 Stellplätzen. Der Höhenflug der Raten hat auch mit einem dieser Riesen mit mehr als 20.000 TEU zu tun, der im März weltweit Schlagzeilen machte: Die „Ever Given“ der Reederei Evergreen. Das 400 Meter lange Schiff lief im Suez Kanal aus dem Ruder, verkeilte sich zwischen beiden Ufern und blockierte die eminent wichtige Wasserstraße für fast eine Woche. Danach dauerte es nochmals mehrere Tage, bis sich der Stau von insgesamt mehr als 400 Schiffen auf beiden Seiten des Kanals aufgelöst hatte. Folge: Unterbrochene Lieferketten, fehlende Produkte, ausbleibende Ersatzteile allerorten. Das Foto des quer im Kanal liegenden Frachters ging um die Welt – auch als Menetekel für die Verwundbarkeit der globalisierten Wirtschaft.
Ever-Given-Havarie und die Folgen
Doch die Ever-Given-Havarie war keineswegs die einzige Blockade in der internationalen Handelsschifffahrt. Schon vor Corona stauten sich nicht selten Frachter vor den vielfach überlasteten chinesischen Häfen und mussten tagelang auf Abfertigung warten. Doch die Pandemie verschärft die Situation. So führt die rigorose Corona-Politik in China dazu, dass die Behörden nicht selten ganze Landstriche abriegeln. Besonders schwer wiegt die teilweise Stilllegung des Hafens Shenzhen-Yantian im Juni, viertgrößter Containerhafen der Welt. Teilweise warteten dort laut „Tagesschau“ unter Berufung auf Bloomberg 130 Schiffe auf Abfertigung. Währenddessen können sie nicht nur keine Fracht laden, sie fehlen auch anderswo, bringen die Fahrpläne durcheinander und beeinträchtigen damit auch die Abwicklung in anderen Häfen. Nach Medienberichten schätzen viele Experten die Folgen des Shenzhen-Staus als gravierender ein als die Blockade des Suez-Kanals. Berichte über Lieferengpässe und Rohstoffknappheit häufen sich. Auch das belegt die enorme Bedeutung der Schifffahrt für Wirtschaft und Wohlstand.
Zum Engpass trägt auch bei, dass die Weltwirtschaft nach dem Lockdown-Jahr 2020 wieder angesprungen ist, allen voran wiederum in China. So legte der Export des Landes im Januar und Februar 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um nicht weniger als 60 Prozent zu, im Juni immer noch um 30 Prozent. Der enorme Zuwachs hat nicht nur mit der niedrigen Vorjahresbasis zu tun, sondern auch mit der erfolgreichen Corona-Bekämpfung. Während viele andere Länder noch im Lockdown steckten, hat China längst wieder unter Volldampf produziert.
Weltweite Nachfrage bleibt hoch
Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Gütern weltweit ungebrochen hoch. Scheinbar investieren viele Menschen einen Großteil dessen, was sie nicht im Urlaub oder im Restaurant ausgeben können, in Neuanschaffungen: Möbel, Elektronik, Fahrräder, Homeoffice-Equipment und vieles mehr. Vieles davon oder dafür kommt aus China und muss in die USA oder nach Europa – ein weiter Weg. Andererseits hat China einen riesigen Rohstoff-Hunger, der vielfach aus Südamerika bedient wird. Nachholeffekte und Konjunktur-/Hilfsprogramme tun ihr übriges.
Das alles führt zu einem gewaltigen Engpass an Schiffs-Kapazitäten und zu der Preisexplosion. So schoss auch der Baltic Dry Index der Frachtraten von Massengutfrachtern (Bulker) von gut 1.300 Punkten im Februar 2021 auf rund 3.200 Punkte Ende Juli. Ein Teil des Anstiegs resultiert wohl auch daraus, dass Containerware mangels Containerkapazität vielfach, soweit das technisch möglich ist, auf Bulker verlagert wird. Von „De-Containerisierung“ ist im Marktkommentar der Ernst Russ AG zum zweiten Quartal 2021 gar die Rede – eine absurde Situation.
Rekordwerte beim Containerindex
Der Container-Index Harpex erreichte am 23. Juli 2021 mit 3.143 Punkten ebenfalls einen weiteren Rekordwert. Das ist rund die Hälfte mehr als der vorherige Höchststand aus 2005 und mehr als das Doppelte des Niveaus im Jahr 2008, bevor der Markt im Zuge der Finanzkrise und des anschließenden Konjunktureinbruchs fast senkrecht abstürzte.
Bis dahin hatten viele gut und über lange Zeit an der Schifffahrt verdient: Reeder, Emissionshäuser, Vertrieb und auch die Anleger. Schiffsfonds waren neben US-Immobilien lange das erfolgreichste Segment der Sachwertanlagen. Damit war es nach 2008 auf einen Schlag vorbei. Seinen absoluten Tiefpunkt erreichte der Harpex Anfang 2009 mit 275 Punkten – weniger als ein Zehntel des heutigen Niveaus.
Kampf gegen den Absturz
Anfangs stemmten sich Reeder und Emissionshäuser damals noch recht erfolgreich gegen den Absturz, auch viele Anleger schossen im Rahmen von Sanierungskonzepten frisches Geld nach. Doch die Krise nahm und nahm kein Ende. Das Ergebnis ist bekannt: Eine riesige Pleitewelle von Schiffsfonds, Notverkäufe mit hohen Verlusten, Rückzahlung von Ausschüttungen – und ein Klage-Tsunami gegen Anbieter und Vertrieb, der teilweise noch immer die Gerichte beschäftigt.
So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) gerade erst – im Mai 2021 – über eine Musterklage zu einem Schiffs-Flottenfonds aus dem Jahr 2005 zu entscheiden, also 16 Jahre später (Aktenzeichen XI ZB 19/18). Der Musterkläger hatte, stellvertretend auch für die weiteren Anleger, wie üblich eine Vielzahl von Prospektfehlern geltend gemacht. Obwohl die Anwälte den Prospekt wahrscheinlich bis auf jedes Komma seziert haben, wies der BGH die Klage jedoch ab. Immerhin haben auf diese Weise wohl wenigstens die Anwälte gut an dem Fonds verdient.
Nur Dr. Peters noch im Publikums-Neugeschäft aktiv
Wahrscheinlich ist der Großteil der Klagen, in denen es um die Qualität von Schiffsfonds-Prospekten ging, so oder ähnlich ausgegangen. Anders ist jedenfalls kaum zu erklären, dass fast alle ehemaligen Emissionshäuser noch existieren oder in geordneten Verfahren ohne Insolvenz von anderen geschluckt wurden. Teilweise sind sie weiterhin in der maritimen Wirtschaft aktiv, sie haben sich jedoch ganz aus dem Neugeschäft mit Privatanlegern zurückgezogen, nicht nur im Bereich der Schifffahrt.
Nur ein ehemaliger Schiffsfonds-Anbieter mit Marktbedeutung ist heute noch im Publikums-Neugeschäft mit Sachwertanlagen aktiv: Die Dr. Peters Group. Das vor über 45 Jahren gegründete Unternehmen hatte mehrere Standbeine und legt mit einer eigenen KVG weiterhin Immobilienfonds auf. Die letzten vier verbliebenen Fondsschiffe hat Dr. Peters indes im Jahr 2019 verkauft und dafür laut Geschäftsbericht 2019 der JS Holding insgesamt immerhin rund 43 Millionen US-Dollar erlöst.
Damit hat Dr. Peters das Thema Schifffahrt jedoch keineswegs ad acta gelegt. Ende 2019 hatte das Unternehmen noch sieben Schiffe im Management, davon ein eigenes. Einer der für Dritte gemanagten Frachter wurde 2020 verkauft. „Der Fokus des Geschäftsbereiches Shipping liegt in Zukunft auf der Akquise neuer Managementaufträge für Tankschiffe sowie der Strukturierung und dem Vertrieb neuer Tankschiff-Investments für institutionelle Investoren“, heißt im Lagebericht.
Neue Kooperationen
Im Februar 2021 ging die Dr. Peters Group dann ein Joint Venture mit der Hamburger Reederei Chemikalien Seetransport (CST) ein, die über eine Flotte von derzeit 40 Tankern und Bulkern verfügt. Die CST/DS Shipmanagement GmbH soll fortan als weiterer maritimer Dienstleister am Markt tätig sein. Demnach soll die Flotte weiter ausgebaut werden, insbesondere im Tankersegment. Durch das Joint Venture „entsteht ein neuer, starker Schiffsmanager mit Potential für Neugeschäft und damit für den Ausbau der Flotte, die von CST/DS Shipmanagement GmbH gemanagt wird“, sagte Kristina Salamon, CEO der Dr. Peters Group. Aktuell sei aber nicht geplant, Kapital von Privatanlegern einzuwerben, teilt Dr. Peters auf Nachfrage mit.
Wieder Produkte für Privatanleger?
Diese nimmt indes ein anderer ehemaliger Big Player bei Schiffsfonds wieder ins Visier: Die Oltmann Gruppe. Sie hat unlängst mit der Reederei Briese aus Leer eine Privatplatzierung ab 200.000 Euro Mindestbeteiligung gestartet. Die Emission finanziert das Containerschiff MS „Terborg“ mit einer Stellplatzkapazität von 1.800 TEU, das Briese in China bestellt hat. „In diesem Marktsegment übersteigt die Nachfrage das Angebot. Neubauten kommen vergleichsweise wenige hinzu, obwohl eine hohe Anzahl an Schiffen aufgrund ihres Alters als Verschrottungskandidaten gelten“, heißt es von Oltmann. Der Gesamtmittelrückfluss beträgt der Planrechnung zufolge 170 Prozent nach Steuern innerhalb von neun Jahren. Die Briese Gruppe beteiligt sich mit 2,97 Millionen Euro selbst. Die Frage, ob das Unternehmen auch wieder Publikums-Schiffsbeteiligungen plant, beantwortete Oltmann allerdings nicht*.
Ein weiteres aktuelles Angebot für Großanleger, das sich bislang nur an institutionelle Investoren richtet, lenkt den Blick auf eine andere Facette der maritimen Wirtschaft mit enormem Finanzierungsbedarf: Die Nachhaltigkeit. Fast alle größeren Seeschiffe fahren hauptsächlich mit Schweröl und blasen Unmengen an CO2, Schwefel und anderen Schadstoffen in die Luft. Internationale Umweltvorschriften und der generelle Nachhaltigkeits-Druck insbesondere in Sachen Klima zwingen die Reedereien zur Nachrüstung oder zur Umstellung der Schiffe auf andere Kraftstoffe.
Bekanntes Gesicht der einstigen Schiffsfonds-Branche
Hier setzt der Eurazeo Sustainable Maritime Infrastructure Fund (ESMI) der Elbe Financial Solutions (EFS) an. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Schiffsbeteiligung, sondern das Ziel ist, nachhaltige maritime Projekte zu finanzieren. Dazu können der Neubau von Schiffen jeglicher Art, Erneuerungen von bestehenden Einheiten, aber auch schifffahrtsnahe Infrastruktur-Projekte zählen. Es sei „der erste Fonds dieser Art in Europa“, betont EFS.
Hinter dem Unternehmen steht als Mitgründer und CEO ein bekanntes Gesicht der einstigen Schiffsfonds-Branche: Jens Mahnke. Er war Geschäftsführer des Emissionshauses König & Cie., das 2016 vom Wettbewerber HCI Capital (heute Ernst Russ AG) übernommen wurde. Mahnke rückte daraufhin in den Vorstand der neuen Mutter ein und war bis Juni 2019 Vorstandssprecher der Ernst Russ AG. Mit EFS hat er nun das erste Closing bereits hinter sich. Demnach hat der Europäische Investment Fonds (EIF) zusammen mit weiteren europäischen Investoren 115 Millionen Euro in den Fonds investiert. Das Funding für ein zweites Closing mit einem Zielvolumen von insgesamt 300 Millionen Euro ist im Juni gestartet.
Bisher nur für „High-Net-Worth-Individuals“
Der Fonds will Finanzierungslücken bei nachhaltigen Investitionen in der maritimen Wirtschaft schließen und richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen. „Dabei ist es egal, ob es sich um die maßgeschneiderte Finanzierung des Neubaus eines großen Containerschiffs, Massengutfrachters, einer kleinen Fähre oder eines Ausflugsdampfers auf einem deutschen Binnengewässer handelt“, sagt Mahnke. Auch technische Einbauten wie spezielle Abgasreinigungsanlagen, der Umstieg auf alternative Treibstoffe oder Offshore Windanlagen fallen demnach unter die möglichen Investitionen.
„Ebenso sind Projekte für die Infrastruktur an Land, zum Beispiel in See- und Binnenhäfen, die sich positiv auf die Umwelt auswirken, durch unseren Fonds finanzierbar“, so Mahnke. In erster Linie strebt er jedoch den Kauf von Schiffen und deren Finanzierung im Rahmen einer Leasing-Konstruktion an, an deren Ende der betreffende Reeder das Schiff zurückkauft. Das Fondsmodell auch für Beteiligungen von Privatanlegern zu öffnen, ist derzeit nicht geplant, sagt Mahnke. Es können aber sogenannte High-Net-Worth-Individuals, also sehr vermögende Anleger, ab einer Ticketgröße von einer Million Euro investieren.
Hoher Investitionsbedarf
Den hohen Investitions- und Modernisierungsbedarf in der Schifffahrt belegt auch eine Meldung der Reederei Hapag-Lloyd. Ende Juni teilte sie mit, die koreanische Werft Daewoo beauftragt zu haben, sechs über 23.500 TEU große Schiffe zu bauen. Bereits Ende 2020 hatte die Reederei sechs solche Riesenfrachter in Auftrag gegeben, insgesamt also zwölf. Aufhorchen lassen auch die Informationen zur Antriebstechnik. Demnach werden die Schiffe mit einem „extrem kraftstoffeffizienten“ Hochdruck-Dual-Fuel-Motor ausgestattet, also einer Maschine, die zwei Arten von Treibstoff verarbeiten kann. Der Motor wird mit Flüssiggas (LNG) betrieben, kann aber alternativ auch mit konventionellem Treibstoff fahren. „Mittelfristig ist das Ziel, die Schiffe mit synthetisch erzeugtem Methangas (SNG) klimaneutral zu betreiben“, so Hapag-Lloyd.
Finanziert wurden die sechs Juni-Schiffe über einen syndizierten „Green Loan“ von bis zu 852 Millionen US-Dollar. Künftig kann Hapag-Lloyd auch große Investitionen vielleicht wieder aus dem laufenden Cashflow selbst stemmen. Allein im ersten Quartal 2021 verdiente das Unternehmen ein Konzernergebnis von rund 1,2 Milliarden Euro. Obwohl die Transportmenge „aufgrund der vielerorts nachfragebedingten Überlastung der Hafen- und Hinterlandinfrastruktur und einem daraus resultierenden Mangel an frei verfügbaren Schiffen und Containern“ gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar leicht zurückging, stieg der Umsatz wegen der hohen Frachtraten um ein Drittel.
Prognosen für das Gesamtjahr
Die Prognose für das Gesamtjahr bleibe jedoch „mit erheblichen Unsicherheiten behaftet“. Rolf Habben Jansen, CEO von Hapag-Lloyd: „Auch wenn wir für das Jahr 2021 insgesamt optimistisch bleiben, so sind die Folgen der COVID-19-Pandemie und die überlasteten Lieferketten nach wie vor eine enorme Herausforderung für alle Marktteilnehmer. Wir werden nichts unversucht lassen, um in diesem schwierigen Marktumfeld zu einer schnellstmöglichen Normalisierung beizutragen und so viel Kapazität wie möglich zur Verfügung zu stellen.“
Die Fracht- und Charterraten werden nach dem Ende der pandemiebedingten Verwerfungen sowie der Auflösung der Schiffsstaus also sicherlich wieder auf ein Normalniveau sinken. Doch festzuhalten bleibt: In der Schifffahrt wird wieder kräftig Geld verdient, der Investitionsbedarf ist sowohl bei Neubauten als auch bei der Nachrüstung der bestehenden Flotte gewaltig und institutionelle Investoren sind schon bereit, dort große Summen anzulegen. Privatkunden sind bislang noch außen vor. Trotz aller Vorbehalte, die wahrscheinlich vor allem aus dem Vertrieb kommen werden, scheint es jedoch nur eine Frage der Zeit zu sein, dass auch wieder maritime Investments für Privatanleger auf den Markt kommen, in welcher Form auch immer. Oltmann hat den ersten Schritt bereits getan.
Autor: Stefan Löwer
Dieser Artikel stammt aus der Cash.-Ausgabe 9/2021.
*Nach Redaktionsschluss des Heftes teilte Oltmann mit, einen Publikumsfonds „nicht konkret in Planung“ zu haben.