Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft derzeit die Rechtmäßigkeit der bei Versicherungstarifen gängigen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) verteidigt die üblichen Kalkulationsmodelle und warnt davor, davon abzurücken.
Aufgrund einer gesetzlichen Ausnahmeregelung vom EU-Gleichbehandlungsgebot können die europäischen Versicherer wegen der statistisch belegten Risikounterschiede von Frauen und Männern ihre Tarife geschlechtsspezifisch kalkulieren. Dies wirkt sich vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung aber auch in der Schadenversicherung aus.
So sind zum Beispiel private Rentenversicherungen für Frauen entsprechend ihrer längeren Lebenserwartung teurer. Umgekehrt müssen Männer in der Risikolebensversicherung mehr zahlen. In der Kfz-Versicherung müssen sich junge Frauen nicht an den höheren Kosten einer riskanten Fahrweise junger Männer beteiligen.
Über diese Praxis entscheidet derzeit der EuGH. Die zuständige Generalanwältin hält sie für rechtswidrig und hat sich in ihrer Empfehlung an die Richter für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Tarifierung von Versicherungsprodukten ausgesprochen.
Versicherungsrisiken, die sich allenfalls statistisch mit dem Geschlecht in Verbindung bringen ließen, dürften auf die Kalkulation keinen Einfluss haben. Faktoren wie der Beruf, die Ernährung und die übrigen Lebensumstände sollten die wesentlichen Kalkulationsmerkmale liefern.
Die DAV warnt vor den Folgen einer gesetzlich erzwungenen Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern trotz statistisch nachgewiesener Unterschiede. Die Angleichung der Lebensumstände zwischen den Geschlechtern könne jedenfalls nicht als Begründung herangezogen werden, so die Vereinigung.
In allen Ländern der Welt, in denen die Müttersterblichkeit dank medizinischen Fortschritts eingeschränkt werden konnte, bestünden signifikante statistische Unterschiede in der Lebenserwartung von Männern und Frauen. Zurzeit leben Frauen nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Schnitt etwa fünf Jahre länger als Männer, diese Differenz konnte bereits im Jahr 1962 beobachtet werden, schreibt die DAV. Die Annahme der Generalanwältin, dass die Angleichung der Lebensumstände von Frauen und Männern auch zu einer Verringerung des Unterschieds in der Lebenserwartung führe, sei somit nicht nachweisbar.
Seite 2: Warum Gender-Unterschiede berücksichtigt werden müssen