Berufsunfähigkeit: Lassen Versicherer Gefährdete im Regen stehen?

Auch die Erwerbsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsabsicherung hat hierzulande mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. „Unserer Erfahrung nach werden entsprechende Angebote vom Markt nur sehr verhalten oder gar nicht angenommen“, sagt Gert Wagner, Bereichsleiter Produktmanagement beim Versicherer Swiss Life.

Man habe daher im vergangenen Jahr das Produkt „Swiss Life EMI Plus“, eine kombinierte Dread-Disease-Erwerbsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsabsicherung, vom Markt genommen, bedauert Wagner.

Trotz dieses Rückschlags wird die Branche aber auch künftig an Berufsunfähigkeits-Innovationen feilen. „Der BU-Markt ist einer der dynamischsten in der Versicherungsbranche überhaupt“, sagt Dr. Klaus Math, Vorstand Produkte und Versicherungstechnik der Lebensversicherung von 1871. „Wir können also noch mit einer Reihe von Neuerungen rechnen, die im Detail heute noch gar nicht absehbar sind.“

In naher Zukunft dürfte vor allem das Unisex-Urteil für Veränderungen sorgen, ist sich Math sicher. Ab 21. Dezember 2012 dürfen Versicherer nur noch geschlechtsneutrale Unisex-Tarife anbieten. Damit fällt ein wichtiges Differenzierungskriterium für die Versicherungsbranche weg. Aus Sicht der LV 1871 sind daher alternative Differenzierungs- und Einschätzungskriterien gefragt, beispielsweise Rauchgewohnheiten oder Schulbildung.

Eine vernünftige Kalkulationsbasis für den Geschlechtermix in zukünftigen Versicherungsbeständen könne aber vermutlich erst in den nächsten Jahren abgeleitet werden, glaubt Math. Der Markt müsse sich zunächst neu definieren.

Insofern steckten insbesondere in vorab angebotenen Optionen erhöhte Risiken für die Kalkulation der Reserven, die später notwendig sind, um die zugesagten Leistungen zu erfüllen, kritisiert der Vorstand. Eine Option, mit der die Branche derzeit verstärkt wirbt, ist die „Umtauschgarantie“. Diese soll verhindern, dass Kunden die Entscheidung zur Absicherung ihres Risikos einer Berufsunfähigkeit „auf die lange Bank schieben“, weil sie sich eine günstigere Prämie von der Unisex-Tarifierung erhoffen.

Werbung mit Unisex-Garantie

Alte Leipziger, Continentale, WWK und Gothaer ermöglichen deshalb ihren Kunden, die noch vor Jahresende einen Schutz gegen die Berufsunfähigkeit vereinbaren, eine rückwirkende Umwandlung ab Versicherungsbeginn in die betreffenden Unisex-Tarife.

Die Umstellung der Tarife erfolgt bei gleichbleibendem Gesamtbeitrag unter Anpassung der versicherten Leistungen, sodass der Kunde gegebenenfalls von höheren Leistungen profitieren kann. Bei der Swiss Life verzichtet man hingegen auf eine Umtauschgarantie. Für das Unternehmen sei dies kein Thema, da man bereits zum August einen Unisex-Tarif in der BU einführen werde, die durchweg attraktive Prämien für Männer und Frauen bieten, so Wagner.

Berufsunfähigkeit: Aufschieben kommt teuer

Ohnehin warnen Experten davor, die Vorsorge-Entscheidung aufzuschieben. Denn gerade bei der Berufsunfähigkeitsabsicherung gilt die Devise: Je früher das Risiko abgesichert wird, desto besser – und günstiger.

„Der Berufsunfähigkeitsschutz hat sich immer mehr der jüngeren Zielgruppe zugewandt, weil diese speziell mit kleinen Beiträgen einen bereits guten Schutz erwerben und sich für später auch noch ihren Gesundheitszustand konservieren können“, sagt Jennifer Klösel, Produktmanagerin BU- und Pflegeversicherungen beim Volkswohl Bund.

Mit „Starterpolicen“ buhlen die Versicherer verstärkt um Auszubildende, Studenten oder junge Berufsanfänger. Die Umworbenen können sich freuen, denn so mancher Anbieter wirbt mit dem Verbleib in einer günstigen Berufsgruppe – ohne Nachmelden auf Lebenszeit.

Foto: Shutterstock

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