Zuschussrente in neuem Gewand: Der Koalitionsgipfel im Berliner Kanzleramt hat in der Nacht auf Montag unter anderem die Einführung einer „Lebensleistungsrente“ vereinbart. Diese soll die Renten von Geringverdienern aufbessern – Sozialverbänden gehen die Pläne nicht weit genug.
Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass Geringverdiener, die nach 40 Beitragsjahren trotz privater Vorsorge nur eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung zu erwarten haben, einen Zuschuss aus Steuermitteln erhalten sollen. Der Betrag soll voraussichtlich etwa zehn bis 15 Euro über der Grundsicherung von derzeit durchschnittlich 688 Euro liegen. Diese Zahlen sorgen für Unmut bei Sozialverbänden.
Der Altersarmut-Beschluss der Koalition sei enttäuschend, kommentiert Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD). „Es ist schon ein starkes Stück, einem winzigen Teil der Betroffenen zehn oder 15 Euro über der Grundsicherung nach 40 Jahren Arbeit als Lebensleistungsrente zu verkaufen“, so Bauer. Wenn die geplante Aufstockung der Niedrigrenten nur bei zwei Prozent der Geringverdiener ankomme, könne von einem wirksamen Konzept gegen die Armutsrenten keine Rede sein, so Bauer. Damit sitze „das Gros der Geringverdiener in der Falle“.
Peter Weiß, Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betont, dass die Vereinbarung „die Leistungsbezogenheit als Grundprinzip der Rentenversicherung“ stärke. „Auch unter erschwerten demografischen Bedingungen kann ein geringverdienender Arbeitnehmer, der ein Leben lang arbeitet und vorsorgt, künftig davon ausgehen, dass seine Rente über dem Niveau der Grundsicherung liegen wird und ihm der Gang zur Grundsicherungsbehörde erspart bleibt.“
Darüber hinaus will die Bundesregierung prüfen, ob Mütter besser gestellt werden sollen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Eine höhere Anrechnung der Kindererziehungszeiten gilt zwar als teuer, findet aber vor allem in der Union Befürworter. „Durch eine Verbesserung der Beitragszeiten wird zugleich auch Lebensleistung in Form von Erziehungs- oder Pflegeleistungen honoriert“, sagt Unionspolitiker Weiß. Damit werde der Schutz insbesondere von Frauen vor Altersarmut gestärkt. „Die vereinbarte Lebensleistungsrente ist systemgerecht, weil sie aus Steuergeldern und nicht aus Beitragsmitteln finanziert wird. Sie ist so ausgerichtet, dass sie angesichts der begrenzten finanziellen Spielräume zielsicher da ansetzt, wo tatsächlich Bedürftigkeit droht“, erklärt Weiß.
Betreuungsgeld, mehr Investitionen für Infrastruktur, Abschaffung der Praxisgebühr
Darüber hinaus hat die Koalition die Einführung des umstrittenenen Betreuungsgeldes beschlossen. Auch hier gibt es Kritik von Seiten der Sozialverbände. Die Zulage sei fatal für die Chancengleichheit von Kindern aus finanziell benachteiligten Familien, so SoVD-Präsident Bauer. „Wenn das Betreuungsgeld wirklich kommt, darf es nicht auf Hartz IV angerechnet werden. Dazu ist eine rechtzeitige gesetzliche Weichenstellung erforderlich.“
Die Union setzte zudem zusätzliche Investitionen für die Infrastruktur durch. Die FDP konnte die Abschaffung der Praxisgebühr erreichen – hier gab es Zustimmung vom SoVD. So begrüßte Bauer das Ende der Praxisgebühr und warnte vor neuen einseitigen Belastungen der Versicherten. Statt 2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds für die Haushaltskonsolidierung abzuzweigen, sollten die Gelder zur Kompensierung der Einnahmeausfälle verwendet werden. Dann wären auch neue Zusatzbeiträge vermeidbar, so Bauer. (lk)
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