Die Versicherer können aufatmen – Solvency II wird nach Plänen der EU voraussichtlich erst 2015 eingeführt. Das neue Regelwerk zur Eigenkapitalausstattung der Assekuranz sollte ursprünglich bereits am 30. Juni 2013 offiziell eingeführt und ab 1. Januar 2014 „scharf gestellt“ werden.
Wie aus EU-Kreisen verlautet, soll die künftige Übergangsfrist genau ein Jahr später starten und ebenfalls ein halbes Jahr dauern, so dass mit einer Anwendung zum 1. Januar 2015 zu rechnen ist. Grund für die Verschiebung sollen weitere Tests sein, die sich auf die spätere Ausgestaltung auswirken sollen.
Der Vorschlag zum Aufschub kommt von Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Offenbar hat die EU eingesehen, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr zu halten war. Solvency II-Experten, wie Professor Dr. Matthias Müller-Reichart, merkten bereits vor der Brüsseler Sommerpause im Juli 2012 an, dass der ursprünglich von der EU ausgegebene Zeitplan äußerst ambitioniert sei. Der Studiendekan der Wiesbadener Business School an der Hochschule RheinMain hielt es vor allem für problematisch, dass die Omnibus-II-Richtlinie noch nicht vom Europäischen Parlament (EP) verabschiedet wurde. In Omnibus II sind alle noch ausstehende Rechtsgrundlagen der Solvency-II-Rahmenrichtlinie zusammengefasst.
Derzeit verhandelt der Trilog aus EP, Rat und Kommission noch über Omnisbus II. Ein parallel laufender Test soll vor allem der wichtigen Frage nachgehen, wie die Garantien der Versicherer unter Solvency II bewertet werden sollen.
Branche begrüßt Verschiebung
Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) und bei den Versicherern Allianz und Talanx begrüßte man die Entscheidung für weitere Tests und den daraus folgenden neuen Zeitplan.
Vor allem die deutschen Lebensversicherer, die infolge der „Doppel-Krise“ mit einer anhaltenden Niedrigzinsphase zu kämpfen haben, fürchten die Wucht der Veränderung infolge von Solvency II. Die Ergebnisse der Auswirkungsstudie QIS 6, die der GDV im Frühjahr erstellte, scheinen die Sorgen zu bestätigen. Demnach würden rund 40 Prozent der Lebensversicherer unter dem neuen Aufsichtsregime in Schwierigkeiten geraten, etwa jedes zehnte Unternehmen würde gar in Existenznot geraten.
Eine Besonderheit, die es im europäischen Vergleich so nicht gibt, ist der Grund für die Probleme der hiesigen Lebensversicherer. Deren Portfolios weisen einen relativ hohen Anteil an festverzinslichen Anlagen sowie an Rentenprodukten mit Garantien auf. Solvency II schreibt vor, dass der Wert dieser Garantien explizit zu bestimmen ist und als versicherungstechnische Rückstellung in der Marktwertbilanz einzufließen hat. Generell gilt, dass die Unternehmen ihre Kapitalanlagen künftig mit Eigenkapital unterlegen müssen, dessen Höhe sich nach dem Risikogehalt des einzelnen Investments bemessen soll. (lk)
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