Studie: Tiefe Kluft zwischen Versicherern und ihren Kunden

Knapp 40 Prozent der Versicherungskunden in Deutschland denken über einen Anbieterwechsel nach. Es bestehe eine „tiefe Kluft“ zwischen den Unternehmen und ihren Kunden, heißt es in der aktuellen Studie „Was Versicherungskunden wirklich wollen“ von der Unternehmensberatung Bain & Company.

Im Rahmen der Studie wurden mehr als 2.500 Versicherungskunden befragt. Das Fazit lautet so: Es gebe eine weit verbreitete Unzufriedenheit und Wechselbereitschaft unter den Versicherten. „Die Branche muss handeln – mit einer Rückbesinnung auf alte Tugenden und der konsequenten Einbindung neuer Technologien“, fordern die Berater.

Bain & Company misst die Kundenzufriedenheit seit mehr als zehn Jahren mit dem sogenannten Net Promoter Score (NPS). Für die Versicherungsbranche liegt der NPS aktuell bei minus acht Prozent. Noch schlechter als die Versicherer schneiden demnach nur die Banken ab (minus 13 Prozent). Minuswerte bedeuten, dass es weit mehr Kritiker als Anhänger in der Branche gibt.

Andere Branchen stehen in den Augen der Kunden erheblich besser dar, so Bain: So liegt der NPS in der Automobilindustrie bei plus 23 Prozent und bei Computerherstellern bei plus 15 Prozent. Ähnlich wie im Bankensektor würden die Versicherer die wahren Bedürfnisse ihrer Kunden verkennen: „Kundeninteraktion, Kundenloyalität und Ertragspotenzial von Versicherungsunternehmen hängen eng zusammen. Unsere Studie zeigt, dass treue Bestandskunden die wichtigsten Ertragstreiber sind, denn sie kaufen mehr Produkte, lassen Verträge länger laufen und bringen daher erheblich höhere Prämieneinnahmen“, sagt Dr. Henrik Naujoks, Autor der Studie und Partner bei Bain & Company in Düsseldorf.

Der NPS-Wert ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Versicherung einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Laut Bain stehen dabei Werte von neun oder zehn für wirklich begeisterte Kunden („Promotoren“), sieben und acht zeige eher „passiv Zufriedene“, Bewertungen von sechs oder weniger werden als „Kritiker“ eingestuft.

Direktversicherer mit guter Positionierung

Eine detaillierte Analyse der Studienergebnisse zeige, dass es auch in der Versicherungsbranche gelingen kann, Kunden zu begeistern, meinen die Berater. Insbesondere Direktversicherern, mit ihrer „klaren und nachvollziehbaren Positionierung“, gelinge es vergleichsweise gut, die Kundenerwartungen zu erfüllen. Während ihr NPS im Durchschnitt bei plus sechs Prozent liegt, haben die öffentlichen Versicherer mit einem NPS von minus acht Prozent, die Versicherungsvereine mit einem NPS von minus neun Prozent und die großen Aktiengesellschaften mit einem NPS von minus elf Prozent das Nachsehen. Die traditionellen Anbieter können laut Bain vor allem dann überzeugen, wenn sie mehrere Policen eines Kunden auf sich vereinen; die NPS-Werte für Hauptversicherer liegen zum Teil deutlich über denen für Nebenversicherer.

Zudem äußern sich die Befragten, die erst vor kurzem Kontakt mit ihrem Anbieter hatten, erheblich positiver als andere, teilen die Berater mit. Dies gelte für jede Interaktion mit einem Versicherer – vom Vertragsabschluss über eine Schadenmeldung bis hin zur Adressänderung. Lag die letzte Interaktion länger als zwei Jahre zurück, ergibt sich ein NPS von minus 33 Prozent; demgegenüber erreicht der Wert bei einem Kontakt in den vergangenen drei Monaten plus zwölf Prozent. „Bis heute ist es die Ausnahme, dass ein Kunde wenigstens einmal pro Jahr von seinem Vermittler kontaktiert wird. Intern fehlen häufig noch ganzheitliche Ansätze und Prozesse, sowie ein entsprechendes Monitoring“, sagt Dr. Dirk Lubig, Co-Autor der Studie und Partner bei Bain & Company. Dabei stärke selbst ein kurzer Kontakt nicht nur die Bindung und damit die Loyalität, sondern biete vielmehr eine ideale Möglichkeit, über neue Produkte oder Veränderungen bei bestehenden Verträgen zu sprechen, so Lubig.

Die messbare Unzufriedenheit hat erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen: Denn Promotoren erwerben der Bain-Studie zufolge fast 70 Prozent mehr Produkte, bleiben ihrer Versicherung im Durchschnitt eineinhalb Jahre länger treu und empfehlen sie mehr als doppelt so oft weiter wie Kritiker. Im Ergebnis liegen die Prämieneinnahmen bei einem loyalen Kunden fast doppelt so hoch wie bei einem Kritiker.

Seite zwei: Was die Versicherer jetzt ändern müssen

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